HR-Technologie: Neue Herausforderungen für Anbieter
Der Markt für HR-Tech-Software ist im Wandel: Immer spezifischer sind die Anforderungen an einzelne Lösungen für Teilbereiche wie Talent-Management, OKR oder Recruiting und entsprechend segmentiert ist die Branche. Fraglich ist, wie die Anbieter darauf reagieren: Müssen sie sich zwangsläufig spezialisieren oder gibt es nach wie vor die Chance, auch als Generalist erfolgreich zu sein? Die Erfahrung zeigt: Tatsächlich scheint auch eine zweigleisige Strategie erfolgsversprechend zu sein, erläutert Axel Singler, Geschäftsführer von Haufe Talent.
Individualismus ist Trumpf?
Die Anforderungen an HR-Abteilungen können sich heute fundamental voneinander unterscheiden, denn Unternehmen und ihre Mitarbeitenden differenzieren sich immer stärker aus. Eine Folge davon: Jede Organisation benötigt individuelle Technologie für ihre spezifischen Anforderungen. Dabei gilt: je höher der digitale Reifegrad von HR, desto größer der Bedarf nach Speziallösungen. Dementsprechend gewinnen individuell zugeschnittene Angebote, die sich exakt an die jeweiligen Bedürfnisse anpassen, an Bedeutung auf dem HR-Software-Markt. Komplettlösungen, die möglichst alle HR-Kernprozesse in einem System abbilden, scheinen dagegen zum Auslaufmodell zu werden. Bei Haufe Talent glauben wir jedoch nicht an diese These und setzen vielmehr auf eine zweigleisige Strategie.
Zwei Seiten eines Marktes
Der HR-Tech Sektor zeichnet sich durch unterschiedliche Entwicklungsstufen aus: Einerseits befinden sich ausgereifte Segmente wie im Talent Management, wo keine fundamentalen Neuentwicklungen zu erwarten sind, da die Innovationskurve bereits weit fortgeschritten ist. Es geht also eher um kontinuierliche kleine Verbesserungen, wie etwa die Optimierung von Recruiting-Prozessen oder die Ergänzung von neuen Schnittstellen zu möglichst vielen Drittsystemen. Andererseits bieten junge Teilmärkte, wie der rund um den Management-Ansatz OKR (Objectives and Key-Results) viel Innovationspotenzial. Hier besteht sehr wohl die Chance für disruptive Verbesserungen, die auf einen stark wachsenden Markt treffen. Immerhin arbeiten in Unternehmen ab 500 Beschäftigten rund zehn bis 20 Prozent der Mitarbeitenden in flexiblen Strukturen. Ähnlich sieht es in Bereichen wie Onboarding oder Teamentwicklung aus – auch hier trifft ein niedriger Reifegrad auf eine wachsende Zielgruppe.
Das Beste aus zwei Welten
Die Entscheidung, welche der beiden unterschiedlichen Seiten des Marktes Anbieter bedienen möchten – ob sie also eher Generalist oder Spezialanbieter sein möchten – fällt sicher nicht immer leicht und muss in unseren Augen auch nicht zwingend getroffen werden. Schließlich hat auch eine Doppelstrategie ihre Vorteile: Unternehmen, die hierauf setzen und sowohl das etablierte Kerngeschäft bedienen als auch individuell angepasste Speziallösungen liefern, bieten ihren Kunden das Beste aus beiden Welten und so einen enormen Mehrwert. Denn auch in jeder HR-Abteilung gibt es Themen oder Bereiche, die unterschiedlich stark ausgereift sind. Während etwa das Recruiting über etablierte Prozesse und Strukturen verfügt, ist das Thema OKR möglicherweise noch ein Experimentierfeld, das sehr individuell gelebt wird. So unterschiedlich wie die Bereiche sind dann auch die Anforderungen an die entsprechenden Lösungen: Während das Recruiting von einem Komplettsystem profitiert, dass die Komplexität des eigenen Software-Portfolios übersichtlich hält, benötigt HR beim neuen und innovativen Thema eine Speziallösung, die auf die eigene Situation zugeschnitten ist. HR-Tech-Anbieter, die diese Beidhändigkeit unterstützen können, treffen die Bedürfnisse einer sehr großen Zielgruppe – vom agilen Start-up bis hin zum Konzern mit etablierten Strukturen und Prozessen.
In jeder HR-Abteilung gibt es Themen oder Bereiche, die unterschiedlich stark ausgereift sind. Während etwa das Recruiting über etablierte Prozesse und Strukturen verfügt, ist das Thema OKR möglicherweise noch ein Experimentierfeld, das sehr individuell gelebt wird.
Axel Singler
Der innere Spagat zwischen zwei Märkten
Als Anbieter gleichzeitig an kontinuierlichen kleinen Verbesserungen der breit ausgelegten Komplettlösung zu arbeiten und gleichzeitig im hohen Tempo die individuelle Lösung neu zu denken und komplett zu überarbeiten, ist nicht immer einfach. Gleichzeitig ist es durchaus fordernd in zwei Märkten im Wettbewerb zu stehen und sowohl mit den Generalisten als auch den Spezialisten zu konkurrieren. Dennoch ist es möglich, eine Doppelstrategie erfolgreich umzusetzen. Die Voraussetzungen dafür: Erfahrung im Markt, Verständnis für die jeweiligen Kundenbedürfnisse und natürlich fachliches Know-how. Besonders essenziell ist es aber, die Bedürfnisse der jeweiligen Kunden zu verstehen und sie zum Ausgangspunkt der eigenen Strategie zu machen.
Die Risiken der eingleisigen Strategie
Treffen Unternehmen die Entscheidung, zukünftig nur noch als Generalist oder als Spezialist am Markt aufzutreten, führt dies auch nicht zwangsläufig zum Erfolg. Denn nahezu jedes Unternehmen hat sowohl das Bedürfnis, Komplexität zu reduzieren als auch individuelle Anforderungen technologisch abbilden zu können. Lediglich Anbieter, die auf eine zweigleisige Strategie setzen, können beide Anforderungen aus einer Hand bedienen und haben hier einen deutlichen Marktvorteil vor ihren Mitbewerbern.
Viele Optionen in einem spannenden Markt
Spezialist, Generalist oder doch beides gleichzeitig? Der Spielraum für HR-Anbieter wächst – doch die Entscheidung, welches Geschäftsmodell verfolgt werden soll, bleibt herausfordernd. Lohnt es sich, das hohe Tempo in einem neuen Markt mitzugehen oder ist ein Markt vielleicht schon so ausgereift, dass es als neuer Anbieter zu schwer wird, Fuß zu fassen? Diese Fragen müssen Unternehmen stets von Fall zu Fall neu bewerten und die für sie jeweils richtigen Antworten finden. Fest steht nur eines: Sie müssen sich nicht zwangsläufig als Spezialist oder Generalist positionieren, es gibt noch eine weitere erfolgsversprechende Möglichkeit.
Über den Autor
Axel Singler ist Geschäftsführer von Haufe Talent. Singler transformierte den vorher demokratisch strukturierten Geschäftsbereich der Haufe Group in eine agile Netzwerkorganisation und setzt sich intensiv mit Talent Experience und Team Performance auseinander. Er ist überzeugt, dass Business- und HR-Verantwortliche sich zukünftig auf Teams als die wahren Leistungsträger von erfolgreichen Unternehmen fokussieren sollten. Er ist einer der führenden Experten zum Thema Agile Transformation. Seine langjährige HR-IT-Cloud-Erfahrung sowie sein umfassendes Know-how für New Work und Agilität bilden die Grundlage seiner Arbeit.
Bildquelle/ Lizenz: Betthany Legg on Unsplash
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