Handshakes statt Ellenbogen

 

Von Dinko Eror*

Eine Million Jahre hat es von der Zähmung des Feuers bis zur Dampfmaschine gedauert, dann ging – Telefon, TV, Computer – alles viel flotter, und heute entstehen neue bahnbrechende Ideen Schlag auf Schlag. Innovation, sie findet immer schneller statt.

Das wird in Zukunft nicht anders sein. Neue Produkte, aber auch neue Konzepte werden Märkte wie aus der Pistole geschossen erobern. Auch die Grundlage unseres gesellschaftlichen Zusammenlebens wird umgekrempelt, die Richtung zeigt zum Beispiel heute schon Japan mit dem Modell der Gesellschaft 5.0, das eine Super Smart Society zum Ziel hat. Die radikale, weil notwendige Digitalisierung dient als grandioser Ideenbeschleuniger, und die Integration aller Technologien wird wie ein zusätzlicher Turboschub wirken.

Das hört sich an wie eine ganz normale, organische Weiterentwicklung. Aber es gibt zwei Besonderheiten: erstens wird KI, wenn sie mal wirklich ausgereift ist, wir also von Strong AI und Artifical Super Intelligence reden, einen Paradigmenwechsel einleiten und alles, wirklich alles, radikal auf den Kopf stellen. Bis es soweit ist, gibt es zweitens eine semantische Veränderung, denn die Zukunft definiert den Begriff des Wettbewerbs neu.

Wettbewerb wird nie wieder so sein, wie er einmal war.

Dinko Eror

Traditionelle Geschäftsmuster, die auf knallhartem Konkurrenzkampf aufbauen, um eigene Interessen durchzusetzen, werden Unternehmen behindern statt voranbringen. Was bis dato noch durchführbar war, wird in Zukunft nicht mehr möglich sein, weil eine Firma angesichts des wahnwitzigen Innovationstempos als Einzelkämpfer weder über das notwendige technologische Know-how, noch über ausreichende Kreativität verfügen wird.

Innovation entsteht in Zukunft noch mehr durch Zusammenarbeit, und nicht mehr durch Abschottung: Handshakes statt Ellenbogen, sozusagen.

In der Wirtschaftslehre gibt es für dieses Modell sogar schon einen Begriff: Coopetition, zu deutsch Kooperationswettbewerb. Das Kofferwort bringt etwas zusammen, was sich eigentlich ausschließt: nämlich Zusammenarbeit (cooperation) und Wettbewerb (competition). In der Praxis bedeutet das: Konkurrenten gehen strategische Partnerschaften ein, weil alle daraus einen Vorteil ziehen. Eine Zusammenarbeit macht Sinn, wenn dadurch Kosten und Aufwand eines Projektes sinken, oder wenn ein Beteiligter das Know-how und der andere die Mittel zur Umsetzung hat. Bekannte heutige Beispiel sind Apple und Samsung; das US-Unternehmen verwendet die Retina-Displays der Südkoreaner. Auch VW und Ford haben die Modelle VW Sharan, Seat Alhambra und Ford Galaxy gemeinsam entwickelt, vermarkten sie aber getrennt.

Im Software-Bereich wird diese neue Offenheit in der Geschäftskultur und das Do-It-Together übrigens schon lange gelebt: mit Open Source. Open Source ist das Japan der IT-Branche. Eine Software mit öffentlichem Quelltext ist genau das richtige Kollaborationstool für eine Welt, in der Zusammenarbeit der entscheidende Wettbewerbsfaktor ist. Open-Source-Softwareentwickler leben schon lange die Werte, die jetzt gefragt sind: Sie schreiben quelloffenen Code und machen ihn für alle zugänglich; oder sie verbessern fremden Code und teilen ihn mit der Community. Durch diese Kultur der Zusammenarbeit ist Open Source ein Sinnbild für den Wandel hin zu einer neuen Gesellschaft, weg vom Ellenbogendenken.

Aber Vorsicht: Unternehmen müssen der Versuchung widerstehen, in alte Verhaltensmuster zurückzufallen. Beim Entwickeln von Open-Source-Software sollten sie also nicht die Open-Source-Entwickler-Community ausbeuten. Im Mittelpunkt muss vielmehr der Austausch stehen: der Austausch von Wissen, der Austausch von Code und die gemeinsame, kreative Suche nach Innovation. Gestalten wir Wirtschaft und Gesellschaft nach Open-Source-Prinzipien, schaffen wir eine neue Offenheit, die zu Wandel, Gemeinschaft und Wohlstand führt.

* Dinko Eror ist Vice President DACH bei Red Hat


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