Smarte Paketzustellung
Das vom Bundeswirtschaftsministerium geförderte Forschungsprojekt SMile entwickelt ein System für die effizientere Zustellung von Warensendungen. Das Ziel: Ressourcen und Umwelt schonen durch Vermeidung unnötiger Fahrten zu Empfängern, die nicht anzutreffen sind – sowohl in der Stadt als auch im ländlichen Raum.
In der Logistik fällt der letzte Schritt meist am schwersten. Bis zu 75 Prozent der gesamten Kosten einer Lieferkette verursacht die Lieferung auf der sogenannten „letzten Meile“, die Zustellung einer Sendung bis an die Haustür eines Empfängers. Der wichtigste Grund dafür ist, dass auf der letzten Meile jede Sendung einen individuellen Weg zurücklegt. Synergien sind hier allenfalls noch durch eine möglichst effiziente Routenplanung zu heben. Ist ein Empfänger nicht anzutreffen und kann die Lieferung auch nicht bei Nachbarn abgegeben werden, landet sie wieder im Zustellzentrum und muss erneut ausgeliefert oder auch zurück an den Versender geschickt werden.
Weihnachten 2020 wird das Fest der Paketzustellung
Durch den Mangel an Parkraum sind kleinere Staus gerade in Innenstädten oft unvermeidlich. Diese sind umso ärgerlicher, wenn in den engen Straßen gleich mehrere Zusteller unterschiedlicher Dienstleister Wege blockieren. In ländlichen Gebieten sind für einzelne Lieferungen wiederum oft lange Strecken zurückzulegen, was weder besonders wirtschaftlich noch ökologisch ist. Durch das Ladensterben im ländlichen Raum nimmt die Zahl der Bestellungen jedoch auch dort kontinuierlich zu.
In Deutschland wurden 2019 rund 3,7 Milliarden Sendungen ausgeliefert. Die Coronakrise hat zwar zu einem Einbruch im Warenverkehr an Geschäfte und Unternehmen geführt, doch bei Endkunden wirkt sich der Coronaschock in die genau andere Richtung aus: Laut einer Erhebung des Bundesverbands Paket und Expresslogistik (BIEK) ist für 2020 im Vergleich zu 2019 mit einer Verdopplung der Zuwächse von 15 bis 20 Prozent bei den Paketsendungen für private Haushalte zu rechnen. In der Weihnachtszeit 2020 werden vermutlich 420 Millionen Pakete ausgeliefert. Das ist eine Zunahme um rund 60 Millionen Stück gegenüber dem Vorjahr.
Motor der Entwicklung ist der Online-Handel, der allein im dritten Quartal 2020 um über 13 Prozent zulegte. Viele Verbraucher, die vor der Coronakrise nicht oder nur zögerlich online einkauften, haben ihre Zurückhaltung mittlerweile abgelegt. Entsprechend geht der Branchenverband BIEK davon aus, dass das Sendungsvolumen von 3,7 Milliarden Stück im Jahr 2019 auf etwa 4,5 Milliarden bis 2024 steigen wird. Das verschärft die Herausforderungen auf der letzten Meile noch weiter.
Smarte Technologien für eine kooperative und vernetzte Logistik
Mithilfe intelligent vernetzter Technologien will das Forschungsprojekt SMile – Smart Last-Mile Logistik – die Zustellung auf der letzten Meile effizienter und kundenfreundlicher gestalten. Das im Technologieprogramm Smart Service Welten vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderte Projekt bildet die Sendungen dafür über eine digitale Plattform virtuell ab. Das hat den Vorteil, dass die einzelnen Pakete oder Päckchen entlang des gesamten Lieferweges vollumfänglich nachverfolgt und ihr Transport so jederzeit in jede gewünschte Richtung gelenkt werden kann.
Zu dieser Innovation gehört auch, dass die Sendungen jeweils mit einem elektronischen Produktcode nach einem einheitlichen Standard ausgezeichnet werden. Das ermöglicht die reibungslose Zusammenarbeit entlang der gesamten Lieferkette über Unternehmensgrenzen hinweg. Auch Lieferdienste, die bislang aufgrund technischer Insellösungen nicht miteinander kooperieren können, sind so in der Lage, sich auf der letzten Meile gegenseitig zu unterstützen, etwa indem sie auf ihren Touren auch Pakete des Partnerdienstes ausliefern. Über die Zusammenstellung der Touren entscheiden KI-Algorithmen. Diese berücksichtigen bei ihrer Planung dann auch Liefertermine und Lieferorte, die die Empfänger über eine App angeben und noch kurzfristig ändern können.
Die smarte Paketzustellung ermöglicht innovative Lieferkonzepte
Die virtuelle Abbildung der Lieferinfrastruktur eröffnet zudem neue Möglichkeiten: Durch den Einsatz von Sensoren und mobilen Lokalisierungs- und Authentifizierungsmethoden über Apps lassen sich Sendungen auch an sicheren Orten für die Empfänger deponieren. Erprobt wird derzeit beispielsweise die Zustellung direkt in den Pkw-Kofferraum. Für ländliche Gebiete bieten sich vor allem Mitnehmdienste von Nachbarn an. Um die Zahl der Fahrten zu reduzieren, können Lieferungen beispielsweise auf dem Weg von der Arbeit nach Hause oder bei Einkäufen in den größeren Orten der Region mit dem Auto mitgenommen und an Nachbarn verteilt werden.
Möglich wird das durch Mikro-Depots, die als dezentrale Anlaufstellen etwa in Einzelhandelsgeschäften oder Supermärkten die Pakete zwischenlagern. Solche Depots sind als „City-Hubs“ auch in den Städten sinnvoll: Die in der Nähe wohnenden Empfänger können ihre Sendung dann dort abholen, wenn es zeitlich für sie am besten passt. Noch kundenfreundlicher ist der Service des Pilotprojekts „KOPKIB“ im Berliner Stadtteil Charlottenburg. Dort setzt das Berliner Institut für angewandte Forschung bereits die von SMile entwickelten Konzepte und Technologien um. Die Sendungen unterschiedlicher Lieferanbieter werden dazu in den Mikro-Depots gesammelt. Sogenannte „Kiezboten“ liefern die Sendungen anschließend mit Lastenfahrrädern zum Wunschtermin der Empfänger aus. Knapp 70 Prozent der Empfänger wählen die Zustellung in den Abendstunden. Das macht den Job des Kiezboten besonders für Studenten interessant, denen so tagsüber genug Zeit für Seminare und Vorlesungen bleibt.
Die ersten Erfahrungen des Projekts zeigen, dass durch die smarte Paketzustellung die Zahl an Fehlzustellungen erheblich verringert wird. Von der Vernetzung profitieren aber nicht nur die Paketdienste, sondern auch die Umwelt – und nicht zuletzt auch der Gemeinschaftssinn der Nachbarschaft, die wie im Charlottenburger Beispiel neue Formen des Miteinanders erlebt.
Über den Autor
Björn Marc Paulus ist Geschäftsführer der pickshare GmbH. Sie ist Teil des SMile-Projekts, das im Rahmen des Technologieprogramms Smart Service Welten vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie gefördert wird
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Photo by 🇨🇭 Claudio Schwarz | @purzlbaum on Unsplash
Sehr interessanter Beitrag über smarte Paketzustellung. Interessant zu wissen, dass die Zustellung bis zur Haustür die meisten Kosten vom Lieferdienst verursacht werden. So sieht solche Zustellung wie ein Botendienst von Taxi aus. Gut, dass neue Konzepte für die Lösung dieses Problems sich entwickeln.