Themen & Reportagen 01/2021 – Trend Report https://trendreport.de Redaktion und Zeitung für moderne Wirtschaft Fri, 09 Apr 2021 10:53:59 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=6.3.2 Biomasse – Rohstoff der Zukunft https://trendreport.de/biomasse-rohstoff-der-zukunft/ Sat, 03 Apr 2021 08:59:00 +0000 https://www.trendreport.de/?p=30147 Erdöl ist der wichtigste fossile Energieträger. Es wird vor allem als Treibstoff sowie zum Heizen und Kühlen genutzt. Außerdem kommt es als industrieller Rohstoff zum Einsatz, zum Beispiel in der Kunststoffproduktion. Die Erdölvorräte sind jedoch begrenzt und ihre Nutzung bringt zusätzliche Treibhausgase in die Atmosphäre ein – mit schädlichen Folgen für das Klima.

Vielversprechende Alternativen sind rezyklierte Materialien, Rohstoffe auf Basis von CO2 – und pflanzliche Biomasse: Auch diese liefert das Element Kohlenstoff und damit den Basisbaustein für Kunststoffe. Als nachwachsender Rohstoff schont sie jedoch fossile Ressourcen und ermöglicht die Herstellung nachhaltigerer Produkte.

Biomasse ist auf dem Vormarsch. Rund ein Prozent aller Kunststoffe weltweit werden daraus hergestellt, bis 2025 mit einem geschätzten Wachstum von acht Prozent pro Jahr[1]. In der Industrie der Europäischen Union beträgt der Biomasseanteil sogar schon 14 Prozent[2]. Die wichtigsten Quellen sind „klassische“ und damit effiziente Futterpflanzen wie Mais, Raps oder Zuckerrüben. Zunehmend rücken auch Rohstoffe der zweiten und dritten Generation in den Blick, zum Beispiel Stroh, Holz, Algen oder Sägespäne, die in großen Mengen zur Verfügung stehen, zum Teil als Abfall. Eine weitere wichtige Ressource sind Bioabfälle wie zum Beispiel Essensreste. Bis zu ihrer industriellen Nutzung ist noch viel Forschungsarbeit zu leisten, aber diese neuen Alternativen bieten ein enormes Potenzial und erweitern das bisherige Produktportfolio erheblich.

Kunststoffbausteine, die aus Biomasse hergestellt wurden, können die gleiche Struktur haben wie die konventionellen Bausteine und diese somit 1:1 ersetzen (drop-in). Hier kann die Massenbilanzierung ein schneller Weg sein, um biobasierte drop-in-Lösungen unmittelbar in die Wertschöpfungskette zu integrieren, ohne dass große Investitionen oder Anpassungen der vorgelagerten Infrastruktur und Prozesse notwendig sind. Darüber hinaus bietet Biomasse als neue Rohstoffquelle auch Zugang zu Kunststoffbausteinen mit neuartigen Strukturen, die interessante Eigenschaften bei den Kunststoffen bewirken können.

„Biomasse bietet als neue Rohstoffquelle auch Zugang zu Kunststoffbausteinen mit neuartigen Strukturen, die interessante Eigenschaften bei den Kunststoffen bewirken können.“

Dr. Vera Eßmann

Kohlenstoff im Kreis fahren

Werden Kunststoffe nach ihrer Nutzung recycelt, dann wird der darin enthaltene Kohlenstoff im Kreis geführt. Das trägt zum Klimaschutz bei und ist der Grundgedanke der Kreislaufwirtschaft, die zum globalen Leitprinzip werden muss. Die Nutzung alternativer Rohstoffe ist eine wichtige Säule des strategischen Programms, mit dem sich Covestro voll auf die Kreislaufwirtschaft ausrichten und schließlich selbst zirkulär werden will. Deshalb nutzt das Unternehmen schon seit Jahren biobasierte Ausgangsstoffe für die Entwicklung und Herstellung seiner Produkte und reagiert auch auf das wachsende Verbraucherinteresse an nachhaltigen Erzeugnissen.

Ein wichtiges Kriterium ist dabei die Herkunft der verwendeten Rohstoffe. Das Unternehmen will fossile Bausteine zunehmend durch nachwachsende ersetzen. Die Biomasse bindet bei ihrer Entstehung CO2 und kann damit den ökologischen Fußabdruck zusätzlich senken. Voraussetzung für eine erfolgreiche Markteinführung ist jedoch auch, dass biobasierte Produkte mindestens die gleichen guten Eigenschaften zeigen wie vergleichbare Erzeugnisse auf petrochemischer Basis und diese in der laufenden Produktion nahtlos ersetzen können.

Breites Produktportfolio

Zum Portfolio zählt etwa ein Lackrohstoff, dessen Kohlenstoffgehalt zu 70 Prozent auf Biomasse basiert. Er wird in anspruchsvollen Anwendungen wie zum Beispiel Autolacken eingesetzt und wurde bereits in einem Klarlack unter seriennahen Bedingungen erfolgreich getestet. Covestro hat auch verschiedene Vorprodukte für wässrige Holz- und Möbellacke entwickelt, die zum Teil aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt werden. Hinzu kommen Rohstoffe für die Textilbeschichtung sowie für Kosmetika, außerdem Produkte eines TPU-Kunststoffs. Eine teilweise biobasierte Folie aus dem Hochleistungskunststoff Polycarbonat rundet das Angebot ab. Sie kann in der Automobil-, Elektro- und Konsumgüterindustrie verwendet werden.

Auch die verstärkte Nutzung massenbilanzierter Rohstoffe gehört zur schrittweisen Umstellung der Produktion auf alternative Quellen. Erst kürzlich wurden die Standorte Antwerpen und Krefeld-Uerdingen nach dem ISCC Plus-Standard zertifiziert. Damit erfüllen nun die kompletten rückwärts gerichteten Wertschöpfungsketten für die Produktion von Polycarbonat und MDI die hohen Nachhaltigkeitsanforderungen dieses international anerkannten Standards. MDI ist ein wichtiges Vorprodukt für die Herstellung von Polyurethan-Hartschaum, der für eine effiziente Wärmedämmung von Gebäuden und Kühlgeräten sorgt. Covestro kann seinen Kunden nun große Mengen dieser Produkte in gleich guter Qualität wie ihre fossil-basierten Pendants anbieten. Kunden erhalten damit Zugang zu drop-in-Lösungen, die sie ohne technische Umstellung sofort in ihren bestehenden Herstellprozessen einsetzen können.

Unser Autorin Dr. Vera Eßmann

Dr. Vera Eßmann war seit 2018 bei Covestro zunächst als R&D Manager für biobasierte Rohstoffe tätig und ist nun Laborleiterin für Polyurethan-Dispersionen im Segment Coatings, Adhesives, Specialties. Im strategischen Kreislaufwirtschaftsprogramm des Unternehmens koordiniert sie den Einsatz biobasierter Rohstoffe. Vera Eßmann wurde nach dem Studium der Biochemie in Bochum, Stockholm und Lund bei Prof. Schuhmann im Bereich Elektrochemie promoviert.

Covestro Deutschland AG, Leverkusen

Internationale Forschungskooperationen

Aber die Nachfrage steigt und damit auch der Wunsch nach neuen Produkten, die in einer Vielzahl weiterer Anwendungen und Branchen eingesetzt werden können. Hier arbeitet das Unternehmen in verschiedenen Forschungs- und Entwicklungsprojekten mit Partnern aus Wirtschaft und Wissenschaft zusammen. So wurde gemeinsam mit Partnern ein völlig neues Verfahren entwickelt, um den wichtigen Kunststoffbaustein Anilin komplett aus pflanzlicher Biomasse zu gewinnen. Nach erfolgreichen Laborversuchen geht es nun darum, die Herstellung in den technischen und schließlich industriellen Maßstab zu überführen.

Außerdem hat das Unternehmen und elf weitere Partner aus acht europäischen Ländern in dem von der EU geförderten Forschungsprojekt PERCAL zusammengearbeitet. Ziel war es zu untersuchen, wie sich organische Bestandteile von Siedlungsabfällen als Rohstoffe nutzen lassen. Für Covestro ging es darum, die wichtige Chemikalie Bernsteinsäure zu gewinnen. Daraus werden Bausteine für Polyurethan-Dispersionen – sogenannte Polyole – hergestellt. Die Dispersionen könnten wiederum in Textilbeschichtungen verwendet werden.

Die EU-Förderprojekte SMARTBOX und BioCatPolymers beschäftigen sich mit der Verwertung nachwachsender Rohstoffe wie Lignin, Cellulose und Biomasseabfällen. Dabei erforschen Unternehmen und akademische Einrichtungen, wie daraus hochwertige Produkte gewonnen werden können. Vorprodukte zur Herstellung von Polycarbonat und von TPU stehen hier im Mittelpunkt des Interesses.


[1] For the first time: Growth rate for bio-based polymers with 8 % CAGR far above overall polymer market growth – Bio-based News – (bio-based.eu)

[2] Piotrowski, S., Carus, M. and Carrez, D. (2018). European Bioeconomy in Figures 2008 – 2015, 2.

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Nachhaltigkeit bei Banken: Wenn, dann richtig https://trendreport.de/nachhaltigkeit-bei-banken-wenn-dann-richtig/ https://trendreport.de/nachhaltigkeit-bei-banken-wenn-dann-richtig/#comments Fri, 26 Mar 2021 12:10:00 +0000 https://www.trendreport.de/?p=31010 Von Dr. Carsten Wengel

Mit dem Thema Nachhaltigkeit können sich Banken wertvolle Wettbewerbsvorteile verschaffen. Dazu müssen sie sich aber Glaubwürdigkeit verdienen und umfassende Nachhaltigkeitslösungen schaffen. Wie das geht, zeigt das Beispiel Bezahlkarten.

Die Geschäftsmodelle der traditionellen Banken geraten derzeit von gleich zwei Seiten unter Druck. Auf der einen Seite von den immer zahlreicheren Fintechs, die vor allem mit ihrer Expertise für User Experience glänzen können; und auf der anderen Seite von Tech-Riesen wie Google, Amazon, Facebook oder Apple. Sie begeben sich mit ihren Payment-Services immer stärker auf das klassische Terrain der Banken und können dabei auf ein schier unerschöpfliches Reservoir an Kundendaten zurückgreifen. Das ermöglicht ihnen, hochpersonalisierte Dienste anzubieten.

Autor: Dr. Carsten Wengel leitet den globalen Vertrieb für das digitale und kartenbasierte Payment Business bei Giesecke+Devrient (G+D)

Eine hervorragende Möglichkeit, sich gegenüber diesen Playern Wettbewerbsvorteile zu verschaffen, bietet Banken das Thema Nachhaltigkeit. Umweltschutz und Ökologie zählen häufig nicht zu den zentralen Stärken der Fintechs und Tech-Giganten, sind aber sowohl der Generation Z als auch den Millenials wichtig – und damit zwei ganz entscheidenden Zielgruppen. Die Generation Z war es, von der die ersten Impulse für ökobewusstes Konsumieren ausging, und die Millenials sind es jetzt, die den Wandel dazu herbeiführen. Sie befinden sich in ihren besten Arbeitsjahren, geben das meiste Geld aus, und zeigen fast dieselbe Bereitschaft wie die Generation Z, für umweltfreundliche Produkte mehr zu bezahlen.

Erste Schritte sind bereits getan

Erste Schritte in Richtung Nachhaltigkeit sind viele Banken bereitsgegangen. So bieten sie ihren Kunden mittlerweile oft umweltfreundliche Bezahlkarten an. Dazu gehören Karten, die aus biobasierten Materialien, aus recyceltem PVC oder sogar aus Ozeanplastik – also aus recycelten Kunststoffabfällen, die in maritimen Umgebungen eingesammelt wurden.

Das alleine reicht aber heute nicht mehr aus. Um ihre Zielgruppen mit dem Thema Nachhaltigkeit erfolgreich anzusprechen, müssen die Banken dabei eine Führungsrolle einnehmen. Die öko-innovativen Karten sollten die Nachhaltigkeitsstrategie einer Bank verstärken und widerspiegeln. Zusätzlich sollten sie mit anderen Initiativen für ökologische oder soziale Verantwortung zusammenspielen. Das kann etwa die Finanzierung von Baumpflanzungen sein oder ein CO2-Fußabdruckrechner für Verbraucher. Nur wenn Banken umfassende nachhaltige Lösungen entwickeln, können sie glaubhaft kommunizieren, dass sie nicht nur kommerzielle Interessen verfolgen, sondern sich dem höheren Ziel des Umweltschutzes und der Rettung unseres Planeten verschrieben haben.

Nachhaltigkeit über den kompletten Lebenszyklus

Bei Bezahlkarten beispielsweise bedeutet das: Die Nachhaltigkeit darf sich nicht nur auf die Verwendung umweltfreundlicher Materialen für ihre Herstellung beschränken, sondern sollte sich über ihren kompletten Lebenszyklus erstrecken: von der Produktion und Personalisierung über die Auslieferung an die Endkunden und ihre Aktivierung bis hin zu ihrem Lebensende.

So können beispielsweise umweltfreundliche Verfahren bei der Herstellung der Karten zum Einsatz kommen und für Verpackungen oder Willkommensbriefe lässt sich klimaneutrales Papier verwenden. Indem auf den herkömmlichen Ansatz beim Druck von Trägerbriefen, Beilagen oder anderen Materialien verzichtet wird, lassen sich außerdem Abfälle reduzieren. Bei diesem traditionellen Ansatz werden große Mengen vorproduziert und dann bei Bedarf personalisiert und an die Endkunden verschickt. Bei einem speziellen Print-on-Demand-Service dagegen wird immer nur die exakt nötige Menge an Materialien gedruckt, personalisiert und für die Endverbraucher fertiggestellt.

Auch der Einsatz digitaler Tools ermöglicht es Banken, Abfälle zu vermeiden. Ein Beispiel dafür ist der ePIN-Service. Die Endkunden erhalten die PIN für ihre Bezahlkarte nicht durch einen separaten Brief per Post, sondern papierlos per mobiler App oder SMS. Durch die Integration von QR-Codes und Augmented-Reality-Lösungen in die Trägerbriefe der Karten lassen sich darüber hinaus auch Vertriebs- und Marketing-Inhalte, die üblicherweise gedruckt werden, auf digitalem und damit papierlosem Weg bereitstellen.

Ein kollaborativer Ansatz ist erforderlich

Die Realisierung solcher umfassenden Nachhaltigkeitslösungen erfordert einen kollaborativen Ansatz. Banken müssen dafür zahlreiche Partner an Bord holen, darunter Payment-Scheme-Anbieter, Kartenhersteller, Verpackungsproduzenten, Logistikunternehmen oder Recyclingspezialisten. Besonders wichtig ist außerdem die Einbindung von Umweltbewegungen, -organisationen und -netzwerken wie etwa Parley for the Oceans. Sie verfügen über die erforderliche Expertise, die es für die Schaffung echter nachhaltiger Lösungen und verleihen ihnen die erforderliche Glaubwürdigkeit.

Diese Partnernetzwerke aufzubauen, zu pflegen und zu steuern und gemeinsam mit ihnen nachhaltige Lösungen zu implementieren, ist ein aufwändiges und komplexes Unterfangen. Am besten können Banken diese Herausforderung meistern, wenn sie mit einem Payment-Partner zusammenarbeiten, der diese Aufgaben für sie übernehmen kann. Er sollte im Zentrum des kollaborativen Modells stehen und Banken aus einer Hand einen Zugang zu Expertise, Fertigungsstätten, Services, Reputation und weiterreichenden Nachhaltigkeits-Ökosystemen eröffnen. Und nicht zuletzt sollte dieser Payment-Partner natürlich auch selbst dem höheren Ziel der Nachhaltigkeit verpflichtet sein. Das kann er etwa unter Beweis stellen, indem er seine Produkte und Services so gestaltet, dass sie die Nachhaltigkeitsziele der Vereinten Nationen unterstützen und fördern.

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Nachhaltig helfen: Urban Gardening https://trendreport.de/nachhaltig-helfen-urban-gardening/ Fri, 26 Mar 2021 07:03:00 +0000 https://www.trendreport.de/?p=30948 Gastbeitrag

Der Klimawandel als humanitäre Herausforderung

Von oben betrachtet erscheint Amman als ein Wirrwarr grauer Häuser und Straßen inmitten einer kargen Wüstenlandschaft. Vier Millionen Menschen leben in der jordanischen Hauptstadt, darunter mehr als 200.000 Flüchtlinge aus dem Nachbarland Syrien. Die Versorgung all dieser Menschen mit Lebensmitteln und Wasser ist in der extrem heißen und trockenen Region eine enorme Herausforderung – und eine Chance für innovative Projekte.

Ein Land ohne Wasser

Während der rasanten Urbanisierung Ammans hatten Parks und Grünanlagen keine Priorität. Asphalt und Beton dominieren die Stadt – mit dramatischen Folgen für das urbane Klima. Im Sommer staut sich die Hitze und macht das Leben fast unerträglich. Staub und Abgase erschweren das Atmen, ohne Pflanzen werden kaum Schadstoffe aus der Luft gefiltert. Zudem finden viele Tiere keine Rückzugsorte mehr, die verbliebene Artenvielfalt ist stark unter Druck.

Eine grünere Stadt hätte viele Vorteile, jedoch fehlt es an einer wichtigen Ressource: Wasser. Jordanien ist eines der trockensten Länder der Welt, rund 80 Prozent des Staates sind von Wüste bedeckt. Infolge des Klimawandels droht sich der Wassermangel sogar noch zu verschärfen. Eine besorgniserregende Entwicklung, vor allem für die Landwirtschaft. Schon heute können jordanische Agrarbetriebe nur rund 19 Prozent des Nahrungsmittelbedarfs decken. Die meisten Lebensmittel werden aus dem Ausland importiert. Das hat hohe Preise für Lebensmittel zur Folge, die sich insbesondere arme Familien kaum leisten können.

Urban Gardening: Die Stadt erblüht

Ausgerechnet auf einem Flachdach mitten in Amman wächst die Hoffnung auf eine grünere und gerechtere Zukunft. Pflanzkästen gefüllt mit Brokkoli, Fenchel und Salbei stehen hier, daneben ein Gewächshaus mit Erbsen, Tomaten und Erdbeeren. Es riecht nach Erde und Holz. Die 47-jährige Jasina ist gerade dabei, die reifen Früchte zu ernten: „Als ich den Garten das erste Mal betrat, erinnerte ich mich sofort an meine Vergangenheit in Syrien. Mein Onkel besaß eine große Farm und ich liebte es, ihm beim Anbau von Gemüse und Obst zu helfen.“

Bereits 16 qm² reichen aus, um 250 kg Erträge zu erzielen.

Jasina arbeitet fast jeden Tag in der „Urban Gardening“-Anlage, die hier von „Help – Hilfe zur Selbsthilfe“ errichtet wurde. Die Bonner Hilfsorganisation verwandelt seit 2018 Dächer von Mehrfamilienhäusern, Schulen und sozialen Einrichtungen in blühende Oasen. Bedürftige Familien erhalten so die Chance, mitten in Amman Gemüse, Obst und Kräuter anzubauen und kostengünstig frische Lebensmittel zu produzieren.

Technologien wie Tröpfchen-Bewässerung und Hydrokultur-Systeme sorgen dafür, dass die Anbauweise deutlich effizienter und wasserschonender ist als bei herkömmlichen Farmen. Bereits 16 qm² reichen aus, um 250 kg Erträge zu erzielen. Die urbanen Gärten von Help tragen zudem positiv zum Stadtklima bei. Die Pflanzen reduzieren den CO2-Ausstoß und den Wärmeinsel-Effekt, verbessern die Luftqualität und bieten dringend benötigten Lebensraum für Insekten.

„Das Projekt in Jordanien folgt dem Prinzip, das Help im Namen trägt – Hilfe zur Selbsthilfe.“

Julius Burghardt

Mit der Natur wachsen

„Eine solche Idee war dringend nötig. Dieser Garten ist ein echter Hingucker für die ganze Nachbarschaft und ist eine Quelle des Glücks und der frischen Luft!“, bestätigt Zahra. Ebenso wie Jasina ist die junge Mutter vor dem Krieg in Syrien ins Nachbarland Jordanien geflohen. Wie die meisten Flüchtlinge fand sie bisher in Amman keine Arbeit und musste oft in der Nachbarschaft um Geld und Essen betteln, um zu überleben. Dank der Urban Gardening-Anlage hat sie nun Zugang zu frischen Lebensmitteln und kann sich durch den Verkauf von Kräutern und Gemüse ein kleines Einkommen sichern.

Am meisten freut sich Zahra darüber, wieder einer sinnvollen Arbeit nachgehen zu können. Wie viele Flüchtlinge leidet sie unter Ängsten und psychischen Problemen aufgrund der Erfahrungen, die sie im Krieg und auf der Flucht gemacht hat. Der Garten ist für sie ein sicherer Rückzugsort, an dem sie zusammen mit anderen Menschen aus ihrer Heimat Hoffnung und Vertrauen neu lernen kann: „Ich bin davon überzeugt, dass dieser Garten in uns die Liebe zur Zusammenarbeit und Geduld wecken wird. Das beste im Leben ist es, am Ende des Tages zu sehen, was man mit den eigenen Händen geschaffen hat.“

Unterstützung auf Augenhöhe

Das Projekt in Jordanien folgt dem Prinzip, das Help im Namen trägt – Hilfe zur Selbsthilfe. Die Menschen werden in die Lage versetzt, ihre Lebensumstände selbstbestimmt und aus eigener Kraft zu verbessern. Für Help ist dieser Ansatz essentiell, wenn ein Projekt langfristig Erfolg haben soll. Die 1981 gegründete Organisation begegnet den Menschen vor Ort auf Augenhöhe und bezieht sie als gleichwertige Partnerinnen und Partner aktiv in die Projektarbeit mit ein.

Ein wichtiger Bestandteil dieser Vorgehensweise ist es, das Gespräch mit den Menschen zu suchen und Sorgen ernst zu nehmen. Ein Thema, das hierbei immer häufiger zur Sprache kommt, ist das veränderte Klima. „Für uns humanitäre Hilfsorganisationen ist der Klimawandel ein zentrales Thema, weil seine Folgen vor allem die ärmsten Menschen treffen“, erklärt Jonas Espeter, der als Administrator für die Help-Projekte im Nahen Osten zuständig ist. „Sie verhungern etwa während Dürreperioden, flüchten vor Ressourcenkonflikten oder verlieren ihre Existenzgrundlage aufgrund von Naturkatastrophen. Humanitäre Hilfe wird hier immer wichtiger. Wir unterstützen die Menschen, mit den Folgen des Klimawandels umzugehen und auf diese besser vorbereitet zu sein.“

Innovative Projekte für Klima und Umwelt

Bei Help gehen Klimaschutz und Entwicklungszusammenarbeit Hand in Hand. Die Bonner Organisation fördert verstärkt klimafreundliche Strategien und Technologien, um Menschen und Umwelt nachhaltig zu helfen. Wie diese Unterstützung konkret aussieht, ist je nach Region sehr unterschiedlich. Im Osten des Tschad beispielsweise, einer von extremer Armut und Trockenheit geprägten Region, engagiert sich Help für den Bau solarbetriebener Brunnen und errichtet Flussschwellen. Während der Regenzeit stauen die Anlagen Wasser, das langsam versickern kann, anstatt einfach abzufließen. Fruchtbares Land entsteht und der Grundwasserpegel steigt. Instandgehalten werden die Brunnen und Stauanlagen von Komitees, die von Help ins Leben gerufen und ausgebildet wurden.

In Indonesien widmet sich Help dagegen dem Kampf gegen Plastik. Jedes Jahr werden in dem Inselstaat rund 3,22 Millionen Tonnen Plastikmüll unkontrolliert entsorgt. Ein Großteil davon gelangt in die Weltmeere. Um den bereits bestehenden Plastikmüll zu reduzieren, hat Help mit einer lokalen Partnerorganisation Abfallbanken gegründet, die in Indonesien als „Bank Sampah“ bekannt sind. Menschen können hier ihren Plastikmüll gegen einen kleinen Geldbetrag eintauschen. Auf diese Weise tragen sie zum Schutz der Umwelt bei und können sich gleichzeitig etwas Geld dazuverdienen. Knapp 3 Tonnen Plastikmüll konnten so bereits gesammelt werden.

Aus Not wird Perspektive

Der Schutz der Umwelt ist eine der größten Herausforderungen unserer Zeit. Die Folgen von Erderwärmung und Naturzerstörung gefährden das Zusammenleben und die Existenz von zukünftigen Generationen weltweit. Insbesondere arme Länder sind bedroht, obwohl sie bislang am wenigsten zum Klimawandel beigetragen haben. Die Betroffenen verfügen meist weder über ausreichend Wissen noch über Kapital, um sich an die Veränderungen anzupassen. Sie benötigen internationale Unterstützung – und frische Ideen.

Help – Hilfe zur Selbsthilfe hat es sich zur Aufgabe gemacht, Entwicklungszusammenarbeit und Klimaschutz zu verbinden. Mit innovativen Konzepten wie Urban Gardening, Flussschwellen oder Abfallbanken zeigt Help Menschen in Entwicklungsländern, wie sie sich den Herausforderungen des Klimawandels stellen und aus eigener Kraft ihre Lebensbedingungen verbessern können. Doch damit diese Projekte erfolgreich sein können, ist weitere Unterstützung nötig. Wir müssen den Menschen in armen Ländern bei der Anpassung an den Klimawandel zur Seite stehen. Insbesondere Unternehmen sollten hier mit gutem Beispiel vorangehen und ihrer Verantwortung beim Klimaschutz gerecht werden. Gemeinsam können wir Menschen weltweit dabei helfen, ihre wirtschaftliche und ökologische Zukunft in die Hand zu nehmen.

Weitere Informationen

https://www.help-ev.de/themen/klimaschutz-und-entwicklungszusammenarbeit

Über den Autor

Julius Burghardt ist Referent für Öffentlichkeitsarbeit und Bildung bei der internationalen Hilfsorganisation „Help – Hilfe zur Selbsthilfe“. Bei Infoveranstaltungen an Schulen informiert er regelmäßig über die Folgen des Klimawandels und die Herausforderungen für die Entwicklungszusammenarbeit. Die Inbetriebnahme der ersten Urban Gardening-Anlage in Amman hat er vor Ort medial begleitet.

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Böden sind unsere Lebensgrundlage https://trendreport.de/boeden-sind-unsere-lebensgrundlage/ Thu, 25 Mar 2021 11:15:39 +0000 https://www.trendreport.de/?p=30955 Gastbeitrag von Prof. Dr. Hans-Jörg Vogel

Der Strukturwandel von einer erdölbasierten hin zu einer biobasierten Wirtschaft fordert uns, Strategien für eine nachhaltige Nutzung natürlicher Ressourcen zu entwickeln.

Der Boden ist eine solche Ressource, spielt aber in der gesellschaftlichen Debatte bislang kaum eine Rolle. Völlig zu Unrecht, denn Böden sind unsere Lebensgrundlage. Wir produzieren auf ihnen über 90 Prozent unserer pflanzlichen Nahrungs- und Futtermittel sowie nachwachsende Rohstoffe für Industrie und Energiegewinnung. Böden stehen damit am Anfang vieler bioökonomischer Wertschöpfungsketten.

Darüber hinaus erfüllen Böden weitere wichtige Funktionen für Mensch und Umwelt: Sie speichern Wasser und versorgen uns durch den Abbau von Schadstoffen mit sauberem Trinkwasser. Außerdem sind Böden Lebensraum für eine Vielzahl von Organismen. Dass es unter der Bodenoberfläche eine größere Artenvielfalt gibt als darüber, ist kaum bekannt. Vor allem Kleinstlebewesen wie Algen, Pilze und Bakterien wandeln tote organische Substanz in Humus und Pflanzennährstoffe um und sind somit von grundlegender Bedeutung für den globalen Stoffkreislauf und die Bodenfruchtbarkeit. Damit verbunden ist eine weitere wichtige Fähigkeit von Böden: Sie speichern Kohlenstoff und zwar, global betrachtet, dreimal mehr als die oberirdische Biomasse. Ob diese Fähigkeit zu- oder abnimmt ist eine Stellschraube für die Klimaentwicklung.

„Die stärkere Ausrichtung der Wirtschaft auf biologische Ressourcen in Rahmen der Bioökonomie lässt eine weitere Intensivierung der Bodennutzung erwarten, zumal der Bedarf an Nahrungsmitteln weiterhin zunimmt und die globale Ernährungssicherung auch in Zukunft immer an erster Stelle stehen muss!“

Bearbeitung von Ackerfläche mit Pflügen
Böden sind unsere Lebensgrundlage

Die stärkere Ausrichtung der Wirtschaft auf biologische Ressourcen in Rahmen der Bioökonomie lässt eine weitere Intensivierung der Bodennutzung erwarten, zumal der Bedarf an Nahrungsmitteln weiterhin zunimmt und die globale Ernährungssicherung auch in Zukunft immer an erster Stelle stehen muss!
In der Vergangenheit konnte die Produktivität von Böden durch die Industrialisierung der Landwirtschaft (u.a. durch den Einsatz Mineraldünger und Pflanzenschutzmitteln) erheblich gesteigert werden. Die Steigerungsraten wurden in den letzten Jahren aber immer kleiner und wir stoßen hier an harte Grenzen. Außerdem ist der Preis dafür beträchtlich: Bodenerosion, Humusabbau und Kohlenstofffreisetzung sowie Biodiversitätsverluste sind nur einige der Folgen. Weltweit sind inzwischen schätzungsweise 25 Prozent der landwirtschaftlich nutzbaren Böden dauerhaft geschädigt (degradiert).

Gleichzeitig geht immer mehr fruchtbarer Boden durch Versiegelung verloren. Im vergangenen Jahr lag der tägliche Flächenverbrauch in Deutschland bei etwa 56 Hektar pro Tag (!) und das obwohl sich die Bundesregierung in ihren Nachhaltigkeitsstrategie das Ziel gesetzt hatte, diesen Wert bis 2020 auf 30 Hektar pro Tag zu begrenzen. Der Druck auf die begrenzte Ressource Boden steigt stetig und wir müssen auf immer weniger Fläche immer mehr produzieren.

„Eine Leistungssteigerung bei gleichzeitiger nachhaltiger Nutzung ist eine enorme Herausforderung für Landwirtschaft, Bodenforschung und Ökonomie.“

Prof. Dr. Hans-Jörg Vogel

Eine Leistungssteigerung bei gleichzeitiger nachhaltiger Nutzung ist eine enorme Herausforderung für Landwirtschaft, Bodenforschung und Ökonomie. Diese Entwicklung zu gestalten und neue Nutzungsstrategien zu entwickeln, ist ein Ziel der vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Förderinitiative „BonaRes“ (steht für „Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie“).

Seit 2015 erforschen Wissenschaftler*innen unterschiedlichster Fachrichtungen das System Boden. Das Ziel ist, neue Strategien und Handlungsoptionen für eine nachhaltigere Landwirtschaft zu entwickeln. Grundlage dafür ist ein besseres Verständnis der komplexen Prozesse in Böden. Diese sind zu einem großen Teil biologisch, werden aber durch die physikalischen Bedingungen, die sich durch die Wetter und Klima kurz- und langfristig ändern, stark beeinflusst. Das ist eine enorme wissenschaftliche Herausforderung!

Citizen-Science-Aktion „Expedition Erdreich“

Eine weitere wichtige Aufgabe der Bodenforscher*innen in BonaRes ist, auf die Bedeutung der Böden für unsere Gesellschaft aufmerksam zu machen und Bodenbewusstsein zu schaffen. Deshalb ist das BonaRes-Zentrum für Bodenforschung zusammen mit dem Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ) wissenschaftlicher Partner der Citizen-Science-Aktion „Expedition Erdreich – Mit Teebeuteln den Boden erforschen“. Die Aktion findet im Rahmen des Wissenschaftsjahres 2020/21 – Bioökonomie statt.

Deutschlandweit untersuchen Bürgerinnen und Bürger aller Altersgruppen wichtige Bodeneigenschaften wie pH-Wert und Körnung mit vereinfachten Methoden an selbstgewählten Standorten. Das Hauptaugenmerk liegt auf der Zersetzung organischen Materials, die mit dem sogenannten Tea-Bag-Index gemessen wird.

Auch wenn es zunächst lustig klingt, den Boden mit Teebeuteln zu untersuchen, handelt es sich hierbei um eine standardisierte, wissenschaftliche Methode die weltweit angewendet wird. Mit ihr kann die Zersetzungsrate von organischer Substanz im Boden bestimmt werden, die Rückschlüsse auf die biologische Aktivität zulässt. Da die Zersetzungsrate von vielen Faktoren abhängt, untersuchen die Citizen Scientists auch die Bodenart und den pH-Wert. In die Auswertung wird auch die Art der Bodennutzung einbezogen. Die erhobenen Daten geben Aufschluss über das Zusammenspiel zwischen biologischer Aktivität und standortspezifischen Bodeneigenschaften und können dazu beitragen, den Zustand unserer Böden flächendeckend zu erfassen.

„Eine solche Citizen-Science-Aktion zum Thema Boden ist in der Bundesrepublik bisher einmalig.“

Prof. Dr. Hans-Jörg Vogel

Die Bürgerwissenschaftler*innen werden von der Probenvorbereitung, über die Durchführung der Versuche und die Dokumentation der Ergebnisse bis hin zur Datenauswertung wissenschaftlich begleitet und erhalten so einen Einblick für die wissenschaftliche Arbeitsweise. Die Teilnehmer*innen geben ihre Messdaten über die Aktionswebsite in eine Datenbank ein und erhalten ein ausführliches Feedback. Außerdem können sie ihre Ergebnisse online mit denen aller Anderen vergleichen. Mit der Aktion sollen möglichst unterschiedliche Zielgruppen für Böden begeistert werden und das Bodenbewusstsein in der Bevölkerung gestärkt werden.

Eine solche Citizen-Science-Aktion zum Thema Boden ist in der Bundesrepublik bisher einmalig. Für die Forschung ist Citizen Science eine Chance große Datenmengen in kurzer Zeit zu erheben. Wir wollen testen, inwieweit sich die bürgerwissenschaftlich erhobenen Bodendaten auswerten und z.B. für die Erstellung von Bodenfunktionskarten oder die Modellierung von Bodenverhältnissen in Deutschland weiterverwenden lassen. Im Anschluss an das Projekt werden alle wissenschaftlich verwertbaren Datensätze „open access“, also kostenfrei, für weitere Forschungsprojekte auf der ganzen Welt zur Verfügung gestellt.

Das bundesweite Interesse an der „Expedition Erdreich“ hat bisher alle Erwartungen übertroffen, weshalb aktuell keine Aktions-Kits mehr bestellt werden können. Wer sich trotzdem über die Aktion informieren möchte, findet alle Hintergründe und Details auf der Website www.expedition-erdreich.de. Unser wissenschaftliches Team ist nun mehr als gespannt auf die ersten Ergebnisse der Bürgerforscherinnen und -forscher und freut sich auf die gemeinschaftliche Zusammenarbeit von Wissenschaft und Gesellschaft.

Über Prof. Dr. Hans-Jörg Vogel:

Prof. Dr. Hans-Jörg Vogel, Departmentleiter Bodensystemforschung am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung (UFZ)
Der Agrarwissenschaftler leitet das Department Bodensystemforschung am UFZ-Standort in Halle und ist Inhaber der Professur für Bodenphysik an der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er befasst sich mit dem Wasser- und Stofftransport in Böden und mit der Modellierung von Bodenprozessen und ihren Wechselwirkungen. Zudem leitet er das BonaRes-Zentrum für Bodenforschung als Koordinationsprojekt der BMBF-Fördermaßnahme BonaRes (Boden als nachhaltige Ressource für die Bioökonomie), die bis 2024 laufen wird. Mit 10 Verbundprojekten und 50 Forschungsinstitutionen bringt BonaRes die gesamte deutsche Bodenforschung für eine nachhaltige Bodennutzung zusammen.

https://www.ufz.de/

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„Innovation ist Teil unserer DNA“ https://trendreport.de/innovation-ist-teil-unserer-dna/ Tue, 23 Mar 2021 08:52:39 +0000 https://www.trendreport.de/?p=30422 Die intelligente Vernetzung aller technischen Komponenten in einem Gebäude ermöglicht mehr Effizienz im Betrieb, das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen und hohen Nutzerkomfort.

Moderne Gebäude müssen sich den individuellen Bedürfnissen ihrer Nutzer anpassen, um in der Zukunft bestehen zu können. Ob Klimatisierung, Luft- und Energieverbrauch oder Sicherheitssystem: Damit Beschäftigte und Besucher sich wohlfühlen und ein Gebäude zugleich maximal effizient im Betrieb ist, sollten alle Komponenten intelligent vernetzt sein und zusammenwirken. Johnson Controls, der weltweit führende Anbieter intelligenter und nachhaltiger Gebäudetechnik, bietet Produkte und Lösungen aus den Bereichen Gebäudeautomation, Kälte- und Klimatechnik sowie Brandschutz und Sicherheit, die nahtlos ineinandergreifen.

Mehr über das Smart Building Versprechen des Unternehmens und die neue digitale Dachmarke OpenBlue erläutert Jörg Keßler, General Manager bei Johnson Controls Deutschland.

Herr Keßler, Johnson Controls zählt zu den weltweit führenden Unternehmen, wenn es um die digitale Gebäudetechnik geht. Was verbirgt sich hinter Ihrem Smart Building Versprechen und wie sieht Ihre Vision der Zukunft aus?

Jörg Keßler, General Manager bei Johnson Controls Deutschland

Wir bei Johnson Controls schaffen smarte Gebäude, energieeffiziente Lösungen, integrierte Infrastrukturen und sichere, zuverlässige Brandschutzsysteme. Dafür greifen wir zurück auf 135 Jahre Erfahrung, in denen wir uns schon immer sehr als Innovationstreiber hervorgetan haben. Heute schöpfen wir die digitalen Möglichkeiten noch stärker aus und nutzen die Synergien innerhalb unseren Lösungsportfolios, um Gebäude intelligenter und nachhaltiger auszustatten. Wir lassen ganze Umgebungen entstehen, in denen Menschen und Gebäude reibungslos interagieren. Dabei steht der Mensch im Mittelpunkt.

Das klingt visionär, aber was bedeutet das konkret?

Unsere Smart Building Technologien gestalten Gebäude effizienter – in allen Belangen. Sie reduzieren den Betriebsaufwand und vereinen dabei Klimaschutz mit Komfort und Sicherheit für die Mitarbeiter und Besucher in einem Gebäude. Bereits vor Beginn der Coronapandemie zählten Investitionen in eine energieeffizientere Gebäudeleittechnik und in Optimierungen im Segment Heizung, Lüftung und Klima laut unserem jüngsten Energy Efficiency Report schon zu den Maßnahmen, die Unternehmen vorantreiben wollten – um wirtschaftlicher zu werden und den ökologischen Fußabdruck zu reduzieren. Heute kommt hinzu, dass man Gebäudenutzern Sicherheit bieten und ihnen ein gutes Gefühl geben muss, etwa wenn sie zur Arbeit gehen.

Wie zahlt Johnson Controls auf all dies ein?

Es kommt dabei nicht allein auf technisch ausgereifte Einzelkomponenten, sondern auch auf deren intelligente Integration an. Als innovativer Vorreiter präsentieren wir Komplettlösungen, die sich aus unserem gesamten Leistungsportfolio zusammensetzen: Die Geschäftsbereiche Heating, Ventilation & Air Conditioning (HVAC), Gebäudeautomation (BMS) sowie Fire & Security (F&S) arbeiten Hand in Hand zusammen, um Gebäude optimal zu vernetzen und leistungsfähiger zu machen. Wir haben kürzlich die digitale Marke OpenBlue eingeführt, die all unsere Produktlösungen und die zugehörigen Services und Leistungen unter einem Dach vereint.

OpenBlue? Erzählen Sie uns mehr darüber.

OpenBlue bringt vernetzte Lösungen und individuelle Services zentral in einer integrierten digitalen Architektur zusammen. Das integrierte Datenmanagement ermöglicht es Kunden, aus ihrer spezifischen dynamischen Umgebung heraus auf die verschiedenen Gebäudesteuerungen zuzugreifen und umfassende Reports mit Analysen aller Bereiche einzusehen – ohne dass sie sich mit den Details aller Einzelsysteme auseinandersetzen müssen. Unkompliziert erhalten sie transparente Einblicke und das Wissen, auf dessen Grundlage sie fundierte Entscheidungen für ihr Gebäude treffen können, egal in welcher Branche sie wirken.

Dabei ist OpenBlue keine neue Software im eigentlichen Sinne, sondern bildet erstmals die Gesamtheit aller digitalen Lösungen ab. Denn die Architektur ermöglicht – wie ein Dach – die übergreifende Verwaltung Hunderttausender von Datenpunkten und gestattet auch den Austausch mit den Fremdsystemen anderer globaler Big Player. Mit dem primären Ziel, über alle Systeme hinweg die Gebäudeeffizienz zu steigern. Ein intelligentes Datenmanagement in diesem Umfang ist neu.

Wie nutzt OpenBlue Daten?

OpenBlue verwendet Daten aus dem Gebäude und dessen Umgebung so, dass Kunden sie systemorientiert verwalten, sämtliche Gebäudeteile miteinander vernetzen und so intensiver von Intelligenz, Sicherheit, Nachhaltigkeit und insgesamt mehr Effizienz profitieren können. Gebäude sind in der Lage, eigenständig dazuzulernen, Fehler selbst zu erkennen und zu beheben und automatisch auf die persönlichen Präferenzen und Anforderungen der Gebäudenutzer zu reagieren. Konkret umfasst OpenBlue KI-gestützte Service-Lösungen wie etwa die Ferndiagnose, vorausschauende Wartung, Compliance-Überwachung, erweiterte Risikobeurteilungen und vieles mehr.

Haben Sie Beispiele für Möglichkeiten, die sich daraus ergeben?

Etliche! Vielerorts werden Arbeitsplätze heute flexibel belegt. Mit smarter Gebäudetechnik ist realisierbar, dass Mitarbeiter beim Eintritt in ein Gebäude darüber informiert werden, welche Schreibtische verfügbar sind. Das Gebäude wird im gleichen Zug strukturiert: Ein Raum, der leer bleibt, wird nicht mehr unnötig klimatisiert und beleuchtet. Und nicht extra gereinigt. Das spart Energie und Wartungskosten und senkt die CO2-Emissionen.

OpenBlue gestaltet die Energieerzeugung bedarfsgeführt. Etwa indem Wettervorhersagen in die Bedarfsermittlung mit einfließen. Oder das Objekt mit anderen Liegenschaften verglichen wird. Man weiß, wie viele Personen wann in welchen Räumen sind. Muss man heizen oder ist es auch so warm genug? Wie hoch war der Bedarf in einem früheren Zeitraum? Derartige Variablen fließen in das intelligente Energiemonitoring von OpenBlue mit ein, sodass nur die wirklich benötigten Energiemengen erzeugt und verteilt werden. So werden auch weniger unnötige Investitionen in eventuell zu große Anlagen getätigt. Zudem haben Aggregate eine längere Verfügbarkeit bzw. Standzeit und benötigen weniger Wartung, was zusätzlich Kosten spart. Dennoch erleben die Gebäudenutzer mehr Komfort und höhere Behaglichkeit.

Oder schauen wir auf die Sicherheit. Eine smarte Verbindung zwischen Gebäudeautomation, Brandmeldeanlage, Türschließ- und Zutrittskontrollsystem, Beschattung und Notbeleuchtung bietet Schutz. Zum Beispiel lassen sich im Brandfall vorangelegte Entrauchungsszenarien abspielen. Die Türsteuerung kann so konfiguriert werden, dass schnellstmöglich Flucht und Evakuierung sichergestellt sind, aber keiner außer Rettungskräfte den Brandbereich betreten kann. Weiter können Notfallmaßnahmen automatisch etwa auf Handys übertragen werden. Damit funktionieren die Informationswege: Ist der Alarm echt oder eine Übung? Wo ist der Brand ausgebrochen? Welche Rettungswege sind zugänglich; wo sind Sammelpunkte? Wie viele Personen werden womöglich vermisst und wo könnten sie sich befinden? Integriertes Datenmonitoring mit OpenBlue kann echte Menschenleben retten.

Sind das alles neue Errungenschaften von OpenBlue?

Für sich genommen nicht unbedingt, wobei es unser Anspruch ist, uns in Funktionalität und Wirtschaftlichkeit von anderen Anbietern zu differenzieren. Was an OpenBlue wirklich neu und einzigartig ist, ist aber die Vernetzung und Integration all dieser Lösungen in einer Hand. Wir übernehmen zunehmend Verantwortung gegenüber unseren Kunden.

Welche Rolle kann OpenBlue im Umgang mit dem Coronavirus spielen?

Wir haben unser Lösungsportfolio speziell weiterentwickelt und angepasst, um den aktuellen Herausforderungen gemeinsam mit unseren Kunden begegnen zu können. So erfasst ein Zutrittskontrollsystem die exakte Anzahl von Personen in einem Gebäude und sichert in Verbindung mit Videokameras, dass ausreichend Abstand gewahrt wird. Luftzirkulation und Luftreinigung lassen sich mit OpenBlue ebenso steuern und überwachen wie weitere Sicherheitseinstellungen, etwa die Kontaktverfolgung. Zudem messen Wärmebildkameras die Körpertemperatur der Besucher und Umgebungen werden insgesamt kontaktloser gestaltet. Und wir arbeiten an zusätzlichen Lösungen, speziell auch im Hinblick auf eine langfristige und nachhaltige Gebäudesicherheit. OpenBlue Healthy Buildings zählt zu den ersten Modulen der neuen Plattform und widmet sich eben diesem Bereich.

Erzählen Sie uns doch noch etwas über die Geschichte von OpenBlue.

OpenBlue ist das Ergebnis jahrelanger Forschungs-, Innovations- und Entwicklungsarbeit unserer Technikexperten, Datenwissenschaftler und Fachspezialisten auf der ganzen Welt. Die digitale Plattform umfasst die Expertise aller Marken, die Johnson Controls unter einem Dach vereint – darunter Tyco®, YORK®, TOTAL und SABROE®. Sie alle gestalten OpenBlue mit. Denn die Innovation ist ein ganz fester Bestandteil unserer DNA. Johnson Controls ist Anbieter eines riesigen Produktportfolios und bietet maßgeschneiderte Lösungen aus einer Hand.

Herzlichen Dank, Herr Keßler.


www.johnsoncontrols.de

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Biobasierte Kunststoffe: https://trendreport.de/biobasierte-kunststoffe/ Tue, 23 Mar 2021 08:00:00 +0000 https://www.trendreport.de/?p=30778 Gastbeitrag von Lisa Mundzeck und Andrea Siebert-Raths

Biobasierte Kunststoffe: Definitionen, Anwendungsbereiche, Potenziale und Forschung

Angesichts der internationalen Diskussion um Umweltauswirkungen durch den Einsatz von Kunststoffen und die Bemühungen, Recyclingquoten zu erhöhen, den Eintrag von Mikroplastik in die Meere zu verringern und mehr und mehr Einweg- zu Mehrwegprodukten zu machen, stehen auch Biokunststoffe immer wieder im Fokus der Debatten.

Doch was sind Biokunststoffe überhaupt und was können sie leisten?

Derzeit existiert noch keine allgemein gültige Definition des Begriffs Biokunststoff, was zu vielen Missverständnissen führt. Vielfach wird der Begriff mit der Abbaubarkeit gleichgesetzt, was bei weitem nicht immer zutreffend ist.

Prof. Dr.-Ing. Andrea Siebert-Raths
Institutsleiterin des IfBB an der Hochschule Hannover
FOTO: CHINA HOPSON

Grundsätzlich werden sowohl biobasierte Kunststoffe als auch abbaubare Kunststoffe als Biokunststoffe bezeichnet. „Biobasiert“ bedeutet, dass es sich beim Ausgangsmaterial um nachwachsende Rohstoffe handelt. Das heißt aber nicht zwangsläufig, dass der Kunststoff am Ende auch biologisch abbaubar ist. Zum Beispiel sind auch Kautschuk oder Celluloseacet biobasierte Kunststoffe, aber trotzdem nicht bioabbaubar. Außerdem können auch bioabbaubare Kunststoffe erdölbasiert sein, da die Abbaubarkeit nur durch die chemische Struktur und nicht durch den Rohstoffursprung bestimmt wird.

Unterschieden werden muss außerdem zwischen den so genannten „Drop-Ins“ und den chemisch neuartigen Biokunststoffen. Bei den ersteren handelt es sich um biobasierte Kunststoffe, die die gleiche chemische Struktur aufweisen wie ihre petrobasierten Pendants, sie basieren aber eben nicht auf Erdöl, sondern auf nachwachsenden Rohstoffen, ihre Rohstoffbasis ist also biobasiert. Beispiele dafür sind Bio-PET, Bio-PP oder Bio-PE. Zusätzlich zu den Drop-Ins gibt es die chemisch neuartigen biobasierten Kunststoffe, wie bspw. PLA (Polylactid Acid), dessen Basis Polymilchsäure ist und für das es kein fossilbasiertes Pendant gibt. Die Drop-Ins weisen in der Verarbeitung, im Gebrauch und der Entsorgung gleiche Eigenschaften auf wie ihre petrobasierten Pendants, chemisch neuartige Biokunststoffe haben dagegen meist andere und teilweise verbesserte Materialeigenschaften.

Biobasierte Kunststoffe: Ursprungspflanzen können bspw. sein: Zuckerrohr, Zuckerrübe, Mais, Weizen, Kartoffeln, Holz oder auch Rizinuspflanzen.

Bei vielen der derzeit eingesetzten Biokunststoffe handelt es sich um langlebige biobasierte Kunststoffe, wie z. B. Bio-PET, Bio-PP, Bio-PE oder PLA, die zum großen Teil in Verpackungen, aber auch in vielen anderen Anwendungen wie der Automobilbranche, in Textilien oder der Luftfahrt eingesetzt werden. Abbaubare Biokunststoffe finden vielfach in der Medizin oder der Landwirtschaft Anwendung – und sollten auch nur dort eingesetzt werden, wo sie einen wirklichen Zusatznutzen versprechen, wie zum Beispiel als Mulchfolie. Ansonsten sind biobasierte Kunststoffe per se als ein Teil der Kunststofffamilie zu verstehen und damit als Werkstoffe genauso wertvoll wie herkömmliche Kunststoffe. Eine Mehrwegnutzung ist der Einwegnutzung immer vorzuziehen, weshalb der Fokus auf dem Einsatz von langlebigen Materialien liegen sollte.

Biobasierte Kunststoffe werden aus nachwachsenden Rohstoffen wie auf der Basis von Zucker, Stärke, Zellulose oder Rizinus-Öl hergestellt. Ursprungspflanzen können bspw. sein: Zuckerrohr, Zuckerrübe, Mais, Weizen, Kartoffeln, Holz oder auch Rizinuspflanzen.

Wegen des Anbaus dieser nachwachsenden Rohstoffe wird biobasierten Kunststoffen oftmals eine Konkurrenz zur Nahrungsmittelproduktion nachgesagt: Es sei nicht ethisch vertretbar, Flächen für den Anbau von nachwachsenden Rohstoffen zu nutzen, anstatt dort Lebensmittel anzubauen. Ein Vergleich macht deutlich, wie klein der Anteil der für nachwachsende Rohstoffe benötigten Fläche ist und wofür wir den Hauptteil der Anbauflächen verwenden:

Von 13,4 Milliarden Hektar globaler Landfläche nutzen wir weltweit rund fünf Milliarden Hektar für die gesamte Landwirtschaft. Diese landwirtschaftliche Nutzfläche wiederum unterteilt sich in das Grün- und Weideland (3,5 Milliarden Hektar) und die Ackerfläche (1,4 Milliarden Hektar). Die Fläche für die Produktion für Rohstoffe für Biokunststoffe geht aus dem Ackerland hervor und beträgt am Ende für die derzeitigen Produktionskapazitäten von rund 2,05 Millionen Tonnen noch rund 517.000 Hektar. Selbst bei dem vom IfBB prognostizierten Wachstum auf rund 8190.000 Hektar ist das immer noch weniger als 0,01 % der weltweiten Landfläche bzw. 0,02 % der weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche, also ein verschwindend kleiner Anteil.

Die Grafik verdeutlicht, wie klein der Anteil der für nachwachsende Rohstoffe benötigten Fläche ist und wofür wir den Hauptteil der Anbauflächen verwenden.

Biokunststoffe haben damit auch bei dem anzunehmenden Wachstum nur einen unbedeutend kleinen Anteil an der Flächennutzung – vor allem im Vergleich zu den Flächen, die wir für die Tierhaltung bzw. die Produktion tierischer Erzeugnisse nutzen.

Nachhaltigere Produktion von biobasierten Kunststoffen

Dr. phil. Lisa Mundzeck,
Mitarbeiterin für Öffentlichkeitsarbeit am IfBB
an der Hochschule Hannover.
FOTO: CHINA HOPSON

Nichtsdestotrotz wird auch in der Biokunststoffforschung daran gearbeitet, Reststoffe als Rohstoffbasis für Biokunststoffe einzusetzen. Der Einsatz von Reststoffen reduzierte die für Biokunststoffe benötigten Flächen drastisch und sorgte außerdem dafür, dass bereits anfallende Stoffe nicht ungenutzt entsorgt würden. Zum Einsatz könnten hier zum Beispiel Obst- und Gemüsekerne, Grünschnitt, Kaffeesatz, Nussschalen oder auch Getreide- und Rapsstroh, Hanf- oder Flachsstaub oder Ernterückstände bei Kartoffel und Zuckerrübe kommen, und zwar als nicht nur als Rohstoffquelle für biobasierte Kunststoffe, sondern auch als Verstärkungs-, Füll- oder Farbstoffe sowie als Additive.

Der Einsatz von Reststoffen käme auch der Förderung regionaler Stoffkreisläufe zugute und sorgte damit für eine nachhaltigere Produktion von biobasierten Kunststoffen. Denn: Biokunststoffe sind nicht per se umweltfreundlicher als herkömmliche Kunststoffe. Ihre Nachhaltigkeitsbewertung hängt sehr vom verwendeten Material und dem Einsatzbereich, also der konkreten Anwendung, ab und natürlich ebenso vom Ursprung der verwendeten Rohstoffe. Klar ist, dass wir auch in dieser Hinsicht regionale Kreisläufe fördern und zum Beispiel Rohstoffe für biobasierte Kunststoffe hierzulande anbauen bzw. hier anfallende Reststoffe nutzen müssen, um Importe aus Übersee und damit verbundene umweltschädliche Anbaumethoden mehr und mehr zu vermeiden.

Unabdingbar für eine zu forcierende Kreislaufwirtschaft hinsichtlich der (biobasierten) Kunststoffe ist ferner das Recycling. Biobasierte Kunststoffe können ebenso wie fossilbasierte Kunststoffe erfolgreich recycelt werden. Diejenigen mit dem gleichen chemischen Aufbau wie ihre petrochemischen Pendants (z. B. Bio-PP oder Bio-PET) werden im jeweiligen konventionellen Stoffstrom recycelt, chemisch neuartige Kunststoffe wie z. B. PLA können ebenfalls mit üblichen Techniken separiert und recycelt werden; hier fehlen aufgrund der derzeit noch geringen Mengen im Recyclingsystem allerdings noch die eigenen Stoffströme. Darüber hinaus gibt es für Biokunststoffe weitere Entsorgungsoptionen, zum Beispiel die Entsorgung in einer Biogasanlage oder eine CO2-neutrale Verbrennung.

Neben dem Thema Recycling im Rahmen der Förderung einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft finden derzeit vor allem die Simulation ihrer Verarbeitung, der Einsatz von Biowerkstoffen in hochtechnischen Anwendungen wie bspw. der Luftfahrt, ihre Nachhaltigkeitsbewertung, der Einsatz von abbaubaren Kunststoffen als Teillösung für die Kunststoffverschmutzung der Meere und eine weitere Verbraucheraufklärung große Beachtung in der Forschung und Entwicklung von biobasierten Kunststoffen.

IfBB – Institut für Biokunststoffe und Bioverbundwerkstoffe
an der Hochschule Hannover

https://www.ifbb-hannover.de/de/

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Plastic for the bio bin https://trendreport.de/plastic-for-the-bio-bin/ https://trendreport.de/plastic-for-the-bio-bin/#comments Mon, 22 Mar 2021 09:18:00 +0000 https://www.trendreport.de/?p=30609 Disposing of biowaste sustainably with biopolymers – is that possible? Yes, it is possible! It is the most sustainable solution for food packaging in many cases.

Food packaging is useful, necessary, and, above all, there to protect the contents. The downside: after use, many packages are not recyclable or are difficult to recycle. This is because they consist of several materials, but also because they are contaminated by food.

Global warming, as well as pollution of the environment, are central issues of sustainability. The use of plastic in packaging is frowned upon today, but a differentiated approach is necessary.

One of the world’s leading companies of bio-based, sustainable biopolymers for compostable materials is BIOTEC. We spoke to Managing Director Stefan Barot.

Managing Director Stefan Barot

Mr. Barot, where do you see the central problem in terms of packaging?

The fundamental problem with food packaging is its disposal. We have to answer two questions about sustainability:
1. when is packaging necessary and
2. what is the most sustainable packaging.

What do you mean by that?

Food packaging should only be used if we use it to reduce greenhouse gases. In 2016, global food production was responsible for 26% of greenhouse gas emissions, less than 1% for its packaging*1. 6% of all global greenhouse gas emissions were caused by spoiled food. Conclusion: Whenever packaging extends the shelf life of food, it is sustainable, whether it is made of paper, glass, or plastic.

In order to answer the question of the most sustainable packaging, the functionality and waste disposal of this packaging must be reconciled. Experts agree: no waste should be landfilled or incinerated; waste can only be recycled or composted sustainably.

When should packaging be recycled and when should it be composted?

This depends mainly on the content of the packaging. A good example, the compostable bin liner:1 kg of bin liner allows 800 kg of kitchen waste to be converted into 300 kg of nutrient-rich compost. Coffee capsules and tea bags made of compostable materials have also been introduced abroad.

When recycling packaging, the issues are: loss of quality and energy consumption. Glass, aluminum, and steel packaging can be recycled often, but the production, transport, and recycling require a relatively large amount of energy. Plastic and paper can also be recycled, but not as often as desired because they degrade during recycling.

What could be improved in Germany?

If we look at household waste, we first have to remove the biomass. This is already working quite well in Germany. However, 5 million tons of biomass were still burned in 2019, which doesn’t make sense, but is a political problem, because we import waste from abroad to fill our incinerators.

What do you expect from politics in terms of packaging?

A clear overall concept: this is what the system will look like in 10 years! During the conception of an article, its disposal must already be determined, waste landfilling and incineration could therefore be reduced. The respective disposal solution – i.e., recycling or composting – should be marked on each article for the consumer. In this way, consumers are involved in the concerns of our environment when making their purchasing decisions.

„The fundamental problem with food packaging is its disposal.“

Stefan Barot

What specifically do you propose?

Biomass should be composted wherever possible. This organic recycling helps the environment to strengthen soils and return organic carbon to nature as a kind of fertilizer. This also helps residual waste because it can be recycled more easily.

What exactly happens in organic recycling? And what role do your products, BIOPLAST, play in it?

Organic recycling, i.e., composting, biopolymers that consist entirely or partly of renewable raw materials break down in industrial or domestic compost. A classic industrial composting cycle takes about 6 – 12 weeks.

Our biopolymer bags integrate fully into this process and are therefore an optimal disposal solution for organic waste. They allow not only food waste, but also packaging contaminated with food waste to be sent for composting.

Can you tell us a few more facts about your company? Where is it heading?

BIOTEC was founded in 1992 and has grown rapidly since then. We have unique know-how in the composition and degradation of biopolymers. Together with our customers, we already think about the sustainable disposal of a product during its development. We challenge our partners to work together to achieve ambitious goals in the circular economy.

Hier geht es zur deutschen Version des Interviews: https://www.trendreport.de/plastik-fur-die-biotonne

*1         Our World in Data (https://ourworldindata.org/food-ghg-emissions)

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https://trendreport.de/plastic-for-the-bio-bin/feed/ 1
Plastik für die Biotonne https://trendreport.de/plastik-fuer-die-biotonne/ https://trendreport.de/plastik-fuer-die-biotonne/#comments Mon, 22 Mar 2021 09:18:00 +0000 https://www.trendreport.de/?p=30420 Bioabfälle mit Biopolymeren nachhaltig entsorgen – geht das? Ja das geht! Es ist bei Lebensmittelverpackungen in vielen Fällen die nachhaltigste Lösung.

Lebensmittelverpackungen sind nützlich, notwendig und vor allem dazu da, Inhalt zu schützen. Die Schattenseite: Viele Verpackungen sind, nach Gebrauch, nicht oder nur schwer recycelbar. Dies, weil sie aus mehreren Materialien bestehen aber auch, weil sie durch Lebensmittel verschmutzt sind. Die Erderwärmung sowie die Verschmutzung der Umwelt sind zentrale Themen der Nachhaltigkeit.  Der Einsatz von Plastik in der Verpackung ist heute verpönt, aber eine differenzierte Betrachtungsweise ist notwendig. Eines der weltweit führenden Unternehmen biobasierter, nachhaltiger Biopolymere für kompostierbare Materialien ist BIOTEC.

Stefan Barot, CEO von BIOTEC, erklärt der Redaktion, wie nachhaltige Biopolymere Verpackungen kompostierbar machen und der Umwelt helfen.

Herr Barot, wo sehen sie das zentrale Problem in puncto Verpackungen?

Stefan Barot, CEO von BIOTEC

Das zentrale Problem bei Lebensmittelverpackungen ist deren Entsorgung. Zur Nachhaltigkeit müssen wir zwei Fragen beantworteten: 1. Wann ist eine Verpackung notwendig?
2. Welches ist die nachhaltigste Verpackung?

Was meinen Sie damit?

Lebensmittelverpackungen sollten nur eingesetzt werden, wenn wir damit Treibhausgase reduzieren. 2016 war die globale Lebensmittelproduktion für 26% der Treibhausgasemissionen verantwortlich, weniger als 1% für deren Verpackung*1. 6% aller globalen Treibhausgasemissionen wurden durch verdorbene Lebensmittel verursacht. Fazit: Immer, wenn eine Verpackung die Haltbarkeit der Lebensmittel verlängert, ist diese nachhaltig, egal ob sie aus Papier, Glas oder Plastik ist.

Um die Frage der nachhaltigsten Verpackung zu beantworten, muss Funktionalität und Abfallentsorgung dieser Verpackung in Einklang gebracht werden. Experten sind sich einig: Es sollte kein Abfall deponiert oder verbrannt werden, nachhaltig kann Abfall nur rezykliert oder kompostiert werden.

Wann soll eine Verpackung rezykliert und wann kompostiert werden?

Dies hängt maßgeblich vom Inhalt der Verpackung ab. Ein gutes Beispiel, der kompostierbare Müllbeutel: 1 kg Abfallbeutel ermöglicht die Umsetzung von 800 kg Küchenabfällen zu 300 kg nährstoffhaltigem Kompost. Im Ausland eingeführt sind auch Kaffeekapseln und Teebeutel aus kompostierbaren Werkstoffen.

Beim Rezyklieren der Verpackung sind die Fragen: Qualitätsverlust und Energieverbrauch. Verpackungen aus Glas, Aluminium und Stahl können oft rezykliert werden, aber Herstellung, Transport und Rezyklieren benötigt relativ viel Energie. Plastik und Papier können auch rezykliert werden, allerdings nicht beliebig oft, denn diese bauen sich während des Rezyklierens ab.

Was könnte man in Deutschland verbessern?

Schaut man auf den Hausmüll, müssen wir zunächst einmal die Biomasse entfernen. Dies funktioniert in Deutschland schon ganz gut. Allerdings wurden im 2019 immer noch 5 Mio. Tonnen Biomasse verbrannt, was eigentlich keinen Sinn macht, politisch aber ein Problem ist, denn wir importieren Abfall aus dem Ausland um unsere Verbrennungen auszulasten.

Was erwarten Sie sich von der Politik in puncto Verpackungen?

Ein klares übergreifendes Konzept: So sieht das System in 10 Jahren aus! Schon bei der Konzeption eines Artikels muss dessen Entsorgung bestimmt werden, Abfalldeponierung und Verbrennung werden damit reduziert. Die jeweilige Entsorgungslösung – also Rezyklieren oder Kompostieren – sollte für den Konsumenten auf jedem Artikel klar kenntlich gemacht werden. Verbraucher werden so bei ihrer Kaufentscheidung in die Belange unserer Umwelt miteinbezogen.

„Das zentrale Problem bei Lebensmittelverpackungen ist die Entsorgung!“

Stefan Barot

Was schlagen Sie konkret vor?

Biomasse sollte, wo immer möglich, kompostiert werden. Dieses organische Recycling hilft der Umwelt, die Böden zu stärken und organischen Kohlenstoff als eine Art Dünger zurück in die Natur zu bringen. Dies hilft auch dem Restabfall, weil dieser einfacher rezykliert werden kann. 

Was genau läuft beim organischen Recycling ab? Und welche Rolle spielen Ihre BIOPLAST-Produkte dabei?

Beim organischen Recycling, also Kompostieren, bauen sich Biopolymere, die ganz oder teilweise aus nachwachsenden Rohstoffen bestehen, im industriellen oder im heimischen Kompost ab. Ein klassischer industrieller Kompostierzyklus dauert etwa 6 – 12 Wochen.

Unsere Biopolymer-Beutel integrieren sich vollständig in diesen Prozess und stellen deshalb eine optimale Entsorgungslösung für Biomüll dar. Sie ermöglichen, nicht nur Lebensmittelabfälle, sondern auch mit Lebensmittelabfällen verschmutzte Verpackungen der Kompostierung zuzuführen.

Können Sie uns noch einige Fakten über Ihr Unternehmen verraten? Wohin geht der Weg?

BIOTEC wurde 1992 gegründet und ist seitdem rasant gewachsen. Wir verfügen über ein einzigartiges Know-how bei der Zusammensetzung sowie dem Abbau von Biopolymeren. Zusammen mit unseren Kunden denken wir schon bei der Entwicklung eines Produkts an dessen nachhaltige Entsorgung. Wir fordern unsere Partner heraus, um gemeinsam ehrgeizige Ziele der Kreislaufwirtschaft zu erreichen.

Please follow the link for the interview in english: https://www.trendreport.de/plastic-for-the-bio-bin

www.biotec.de

*1         Our World in Data (https://ourworldindata.org/food-ghg-emissions)

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Zukunftsformel für die produzierende Industrie? https://trendreport.de/zukunftsformel-fuer-die-produzierende-industrie/ Mon, 22 Mar 2021 09:16:56 +0000 https://www.trendreport.de/?p=30805 Wie Smart Services als Enabler von Subscription-Geschäftsmodellen die produzierende Industrie revolutionieren.

Gehört der Subscription Economy die Zukunft im Rahmen der produzierenden Industrie? Bildquelle: ipopba – stock.adobe.com

Produzierenden Unternehmen wurde in den letzten Jahren ein erhebliches ökonomisches Potenzial durch Digitalisierung zugesprochen. So ergab eine Umfrage im Jahr 2014 unter 235 Industrieunternehmen, dass diese durch digitalisierte Services rund um die Maschine allein bis 2020 Umsatzsteigerungen von durchschnittlich 12,5 Prozent erwarten können. Ein Blick auf die aktuelle Situation zeigt allerdings, dass Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus lediglich 0,7 Prozent ihres Gesamtumsatzes mit dem Digitalgeschäft erwirtschaften. Trotz aller Bemühungen verkauft die produzierende Industrie nach wie vor überwiegend Produkte, Maschinen, Anlagen sowie klassische After-Sales-Services nach dem Prinzip „Geld für Hardware“ bzw. „Geld für Technikerstunde“. Eine echte Innovation dieser klassischen Geschäftsmodelle ist bisher nicht erkennbar.

Dabei bietet die Digitalisierung eine Chance nachhaltige Wettbewerbsvorteile durch die Transformation des Geschäftsmodells zu erzielen und zu monetarisieren. Durch die Analyse der anfallenden Daten erhalten Unternehmen tiefgreifendes Wissen über das Nutzungsverhalten und die Anforderungen ihrer Kunden. In Verbindung mit der unternehmensübergreifenden Vernetzung gelingt eine immer bessere quantitative Abbildbarkeit der Zusammenhänge beim Kunden. Damit wird die Grundlage für Smart Services gelegt, die durch die Aggregation von Leistungsdaten in der Nutzungsphase der Kunden gebildet werden. Ausgehend von diesem Datenbestand kann die Performance des individuellen Kunden durch gezielte Parametereinstellung der Maschinen oder die Vorhersage von Ausfällen gesteigert werden. Es gilt diese Möglichkeiten des permanenten Lernens und Verbesserns in neue Geschäftsmodelle zu überführen, bei denen der Fokus auf dem gemeinsamen Ertrag und Wachstum mit dem Kunden liegt. Das Ziel dieser Form der Geschäftsmodelle ist es nicht mehr, dem Kunden einzelne Produkte oder Services zu verkaufen. Vielmehr geht es um den Zugang zu einer sich ständig verbessernden Leistung auf Basis eines Systems von Produkt, Service und Smart Services. Erhält der Kunde diesen Zugang gegen regelmäßige Zahlungen, spricht man von einem Subscription-Geschäftsmodell.

Auf dem Vormarsch: Subscription-Geschäftsmodelle

Dr. Jana Frank leitet den Bereich Dienstleistungsmanagement beim FIR e.V. an der RWTH Aachen

Das Grundprinzip von industriellen Subscription-Geschäftsmodellen, auch bekannt unter zahlreichen Synonymen wie Pay-per-Use- oder Pay-per-Outcome-Modellen, besteht demnach in der kontinuierlichen Bereitstellung einer vereinbarten Leistung durch den Anbieter gegen die Entrichtung periodischer Zahlungen durch den Kunden. Geboren aus den Abonnenten-Modellen der Softwareindustrie, werden die Potenziale besonders im produzierenden Kontext immer deutlicher. Es zeigt sich, dass besonders servicestarke digitale Vorreiter den nächsten Schritt angehen und durch partizipative Geschäftsmodelle ihre Investitionen in die Digitalisierung monetarisieren.
In der Praxis wird jedoch deutlich, dass eine Transformation des Geschäftsmodells mit zahlreichen Herausforderungen einhergeht. Insbesondere der Vertrieb produzierender Unternehmen ist häufig noch auf das Hardselling fokussiert, also den ausschließlichen Verkauf eines Produktes. Das damit einhergehende „Speed-Dating“ mit dem Kunden, um die Ware möglichst zügig und profitabel zu veräußern, wiederspricht der Prämisse von Subscription Geschäftsmodellen, die den langfristigen Erfolg des Kunden in den Vordergrund stellen. Die Pflege der Kundenbeziehung muss durch eine enge Kommunikation und kontinuierliche Lernzyklen erfolgen, wodurch gemeinsame Interessen gefördert werden und im Einklang mit dem richtigen Geschäftsmodell ein verbesserter Unternehmenserfolg beider Seiten angestrebt wird. Wertorientierte Erlösmodelle, die von Zielindikatoren im Kundenprozess (z. B. basierend auf dem Produktionsergebnis) abhängen, ermöglichen dabei eine Interessengleichrichtung auf Kunden- und Anbieterseite. Statt der Produkt- und Serviceumsätze rückt nun der Erfolg des Kunden in den Mittelpunkt der Wertschöpfung. Der Fokus liegt somit auf einem positiven „Lock-in-Effekt“, bei dem der Kunde aufgrund der individuellen Optimierung seiner eigenen Leistungsfähigkeit das Subscription-Angebot gar nicht mehr kündigen möchte – ein Win-win-Effekt für alle Parteien. Da der Kunde nur noch für das bezahlt, was er tatsächlich nutzt oder produziert, kann ferner eine Verlagerung der hohen initialen Investitionsausgaben („Capex“) zu wiederkehrenden Betriebskosten („Opex“) realisiert werden.

Fundament legen mit Smart Services

Calvin Rix begleitet die Fachgruppe Subscription-Business-Management im Bereich Dienstleistungsmanagement beim FIR e.V. an der RWTH Aachen

Zunehmend austauschbarere Produkte und eine Steigerung der Wettbewerbsintensität führen zu einer Stagnation im Neumaschinenvertrieb, die bisher nicht abgefedert werden konnte. Der reine monetäre Mehrwert digitaler Angebote bleibt oftmals aus, wenn diese nicht im Rahmen einer Geschäftsmodelltransformation für höherwertige Leistungen bzw. Kundenlösungen im Sinne von Subscription-Geschäftsmodellen genutzt werden. Nur durch die Abbildung und das Verständnis von Zusammenhängen der realen Welt durch aggregierte Daten und einen permanenten Lernprozess sind Anbieter in der Lage, Maschinen gezielt einzustellen, Ausfälle vorherzusagen und den Serviceprozess so produktiv wie möglich zu gestalten. So ist ein Kompressorhersteller bspw. in der Lage durch Smart Services, die auf zustandsbasierten Live-Daten wie dem Volumenstrom und dem Energieverbrauch basieren, Fehlfunktionen und sogar drohende Stillstände der Aggregate beim Kunden abzuleiten, sodass gezielt Maßnahmen zur Behebung eingeleitet werden können. Da ein ungeplanter Serviceeinsatz im Rahmen einer Subscription ausschließlich Kosten verursacht, gilt es Serviceeinsätze so effizient wie möglich zu gestalten, um überhaupt in der Lage zu sein, das Leistungsversprechen profitabel anbieten zu können. Smart Services sind damit nicht nur Wegbereiter der digitalen Transformation, sondern stellen den notwendigen Katalysator dar, um den Weg in Richtung von Subscription-Geschäftsmodelle zu gehen. Anbieter werden zum Kunden der eigenen digitalen Services und müssen diese im Rahmen der Leistungserbringung optimal integrieren und nutzen, um schlussendlich Profitabilität zu erreichen.

Autoren:

Dr. Jana Frank
Bereichsleiterin Dienstleistungsmanagement
FIR e. V. an der RWTH Aachen


Calvin Rix, M. Sc.
Fachgruppe Subscription-Business-Management im Bereich Dienstleistungsmanagement
FIR e. V. an der RWTH Aachen

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Move2SaaS – der nächste Schritt https://trendreport.de/move2saas/ Mon, 22 Mar 2021 08:00:00 +0000 https://www.trendreport.de/?p=30567 Auf Cloudification folgt SaaSification. Für Klaus Aschauer, Vorstand und Chief Customer Officer der COSMO CONSULT-Gruppe, ist der Weg zu cloudbasierten Software-as-a-Service-Lösungen unabwendbar, wenn man zu den Gewinnern der Digitalisierung gehören will.

Herr Aschauer, den Weg in die Cloud sehen heute bereits die meisten Unternehmen als zwangsläufig an – früher oder später. Und jetzt kommt zusätzlich noch Software as a Service?

Ich bin überzeugt, dass alle Unternehmen, die heute mit einer On-Premises-Installation unterwegs sind und sich selbst administrieren, kurz- oder mittelfristig zu einer Strategie finden müssen, wie sie mit den Software-Lösungen umgehen, die sie dort installiert haben, und wie sie die Cloud für ihr Unternehmen möglichst zielführend nutzen. Die Zukunft für Unternehmen liegt in der Cloud, um in Technologien wie Big Data, Data Link, Azure und Machine Learning zu investieren. Artificial Intelligence-Themen kann man irgendwann nur noch in der Cloud betreiben, das heißt, jedes Unternehmen wird gezwungen sein, sich in irgendeiner Form mit der Cloud auseinander zu setzen. Und dann zieht man natürlich auch irgendwann seine ERP-Software und weitere Systeme in eine cloudfähige Infrastruktur, in ein cloudfähiges Environment. Und ein cloudfähiges Environment führt dann unweigerlich auch zum Thema Software as a Service, also nur noch das als Service einer Software zu nutzen, was man tatsächlich braucht – das bekannte Pay-by-use.

Gemeinsam mit Microsoft haben wir vor einiger Zeit begonnen zu überlegen, wie wir die große Bestandskundschaft, die wir bereits heute im ERP-Bereich haben, in Richtung Cloud und SaaS motivieren. Es reicht nicht, einfach zu sagen, ihr habt dort mehr Möglichkeiten und ihr seid dort sicherer. Das sind zwar richtige und durchaus relevante Argumente, aber man muss den Unternehmen auch Wege aufzeigen, auf denen sie von einer On-Premises-Lösung zu einer SaaS-Applikation finden. Daraufhin haben wir ein Programm aufgesetzt, das wir schließlich Move2SaaS nannten. Es zeigt Wege, die wir mit unseren Kunden gemeinsam gehen, Wege, auf denen sie möglichst einfach von einer heute noch On-Prem-Legacy-Installation auf eine cloudfähige, zukunftssichere Lösung kommen.

Für viele Firmen sind Hybridlösungen zurzeit die einzig akzeptierten Lösungen. CRM ja, ERP nein. Aber Move2SaaS zielt dann ja darüber hinaus?

Wir bieten als Beratungs- und Softwareunternehmen zwei Möglichkeiten. Wir betreiben zum einen unsere eigene COSMO CONSULT-Cloud, die eine Hybridversion darstellt und die wir unseren Kunden on Azure zur Verfügung stellen. Dann gibt es den erweiterten Schritt in die Public Cloud. Letztendlich glaube ich aber, dass sich die Kunden unweigerlich damit auseinandersetzen müssen: Warum gehe ich heute nicht mit meinem ERP-System in die Cloud, tue es aber trotzdem mit CRM? Vielleicht, weil CRM kein Business-Critical-Geschäft oder kein Business-Critical-Prozess ist? Ich bin sicher, dass mittlerweile die Möglichkeiten, die man über SaaS in Cloud-Lösungen nutzen kann, etwa Microsoft Dynamics Business Central oder Microsoft Dynamics Financial and Supply Chain Management, mittlerweile so geworden sind, dass man eigentlich mit einer On-Prem betriebenen Lösung gar nicht hinterherkommt.  Es gibt einfach viele zukunftsfähige Funktionalitäten, die nur in der Cloud verfügbar sind. Wenn ich also als Unternehmen weiter von Technologievorsprüngen profitieren will, dann muss ich irgendwann den Schritt in die Cloud gehen.  

Ist die COSMO-Cloud nur ein Zwischenschritt auf dem Weg zur Public Cloud oder können Sie für Ihre Kunden auch ein Vollversorger sein?

Wir können unsere Kunden in der COSMO-Cloud voll versorgen. Es ist ein Managed Service, den wir basierend on Azure zur Verfügung stellen, also das, was Microsoft sonst global zur Verfügung stellt, gekapselt in unserer COSMO-Cloud. Das müssen wir für bestimmte Branchen im Moment ohnehin noch liefern, etwa für die Pharma-Industrie. Da sind wir zertifiziert mit unserer Cloud, entsprechen den Validierungsrichtlinien der Pharma-Unternehmen. Aber im Endeffekt ist es ein Weg, der den Weg in die Cloud oder den Weg in Richtung SaaS sehr gut ebnet und den man auf jeden Fall als ersten Schritt gehen kann oder gehen sollte, um sich mit den Möglichkeiten der Cloud und eines SaaS-Betriebs intensiver auseinander zu setzen. Vergessen sollte man auch nicht die Security-Themen, die man rund um das Thema Azure zur Verfügung hat und die man dabei nutzen kann. In Bezug auf alles, was Zugriffe von außen betrifft – Hacker Attacks oder Cyber-Kriminalität – ist eine Microsoft Azure Cloud, verteilt über die gesamte Welt, Marktführer und viel sicherer als mein Server, den ich irgendwo im sprichwörtlichen Keller stehen habe.

Wie sieht es mit den Nachteilen durch eine Cloud-Nutzung aus, etwa durch unflexiblere Gestaltungsmöglichkeiten meiner Software?

Das ist durchaus eine berechtigte Frage. Gerade ERP-Systeme werden ja häufig angepasst, und eine Cloud- oder eine SaaS-Software ist vermeintlich nicht mehr so gut anpassbar. Aber Microsoft hat auch da Möglichkeiten entwickelt, SaaS mit bestimmten Technologien anzupassen, beispielsweise Extensions. Außerdem stellt Microsoft Power Apps und Power Platforms zur Verfügung, mit denen man Business-Logik in kleine Apps verpacken und an ein ERP-System andocken kann. Das heißt, man braucht für bestimmte Funktionalitäten oder individuelle Prozesse, die man gern als Unternehmen hätte, nicht mehr das ERP-System anzupassen, sondern macht das einfach über eine Power App, über eine zusätzliche Funktionalität, die man einfach auslagert in ein cloudfähiges System wie Power Applications oder Power Platforms. Man verlagert die Individualisierung von Prozessen weg von der Standardlösung in kleinere, einfach zu handelnde Lösungen, mit denen man sehr schnell und mit großer Flexibilität Prozesse individualisieren kann. Ich bin mir sicher, dass die Vorteile und die Flexibilität, die ich erreichen kann, durch ein Cloud Environment viel, viel größer sind als die Nachteile.

Plattformen sind ja auch etwas, was für viele Lösungen, etwa End-to-End-Lösungen, unerlässlich sind und eigentlich nur in der Cloud möglich?

Ja, weitestgehend ist das nur in der Cloud möglich. Wenn wir auf die Microsoft-Plattform schauen, dann gibt es eine Azure Cloud als Basis für meine Business-Software und innerhalb dieser Azure Cloud gibt es dann unterschiedliche Apps. Eine App heißt Dynamics 365 Finance and Supply Chain Management, die auch wiederum in Teilbereiche zerlegt worden ist. Man braucht vielleicht nur den Bereich Finance, man braucht nur den Bereich Projekt Operations, und dazu brauche ich vielleicht noch einen Teilbereich aus Office 365 mit Teams, den ich gern mit integrieren würde. Und für meinen Außendienst brauche ich noch die Field-Service-App und kann mir auf einer Plattform, wie ich es brauche, meine Geschäftsanwendungen per App bereitstellen. Das ist der Plattformgedanke. Früher hat man versucht, die ERP-Systeme mit immer mehr Funktionalitäten auszustatten, jetzt versucht man, die Funktionalitäten auf eine Plattform zu legen, um so kleinere Applikationen zu nutzen und den Anwendern die Nutzung einfacher zu machen.

Sie sagten, Unternehmen sollten jetzt ihre Software cloudfähig machen. Was bedeutet das? Was fehlt den Programmen, um cloudfähig zu sein?

Ich glaube, zum einen ist es die Offenheit der Systeme, von Applikationen wie Azure betrieben zu werden oder betrieben werden zu können. Das heißt, die Produkte müssen über eine bestimmte Technologie verfügen, damit man sie innerhalb eines Cloud Environments betreiben kann. Dafür nutzt man bestimmte Modelle, um Daten auch innerhalb dieses Cloud Environments auszutauschen. Und das können heute nur Software-Produkte, die einer bestimmten technologischen Weiterentwicklung unterliegen.

„Wenn ich weiter von Technologievorsprüngen profitieren will, muss ich in die Cloud gehen!“

Klaus Aschauer

Was raten Sie den Bestandskunden und den Neukunden, die zu Ihnen kommen?

 Ich glaube, für einen Neukunden ist es oftmals einfacher. Je nachdem, aus welcher Systemwelt man kommt, hat man eine bestimmte Idee, wie man in die Zukunft gehen will. Wir treffen häufig mit Kunden zusammen, die ein Veränderungsprojekt haben, etwa im Bereich CRM. Mit denen betrachten wir mittlerweile nicht allein das CRM-Projekt, sondern versuchen, mit ihnen eine digitale Roadmap zu entwickeln, in der ihr Projekt ein Teilbestandteil ist. Wir versuchen dabei, die Strategie des Unternehmens mit seiner Digital Ambition, mit seiner Transformationswilligkeit in Verbindung zu bringen, um daraus die besten Schritte abzuleiten. Hieraus kann sich dann durchaus ergeben, dass die Anforderungen, die der Kunde hat, mit einem anderen Tool einfacher zu erfüllen wären als mit der Implementierung eines ganzen CRM-Systems. Das ist eher unser Ansatz geworden, als einfach nur auf Anfragen zu reagieren. Dahinter steckt der Grundgedanke des Customer Success Managements, wir stellen den Erfolg unserer Kunden in den Mittelpunkt.

Wie sieht das für den Bestandskunden aus?

Für alle Kunden, die mal in Microsoft investiert haben, gibt es einen klaren Transformationsweg in die Zukunft. Mit unserer Move2SaaS-Idee haben wir all diese Themen, die Microsoft und wir bieten, mal zusammengestellt und uns gefragt, was für eine Journey ein bestehender Kunde, der heute mit uns eine ERP-On-Premises-Installation hat, mit uns gehen könnte, um vielleicht im nächsten Jahr oder noch in diesem Jahr in ein cloudfähiges Environment zu wechseln. Wir haben uns Gedanken gemacht, wie wir Workshops anbieten können, die erst einmal die Cloud Maturity des Kunden feststellen, die ihm die Möglichkeit geben, sich mit unserem Chief Technical Officer Tobias Fenster auszutauschen, der zu dem exklusiven Kreis der sogenannten Microsoft Most Valuable Persons gehört, die sich intensiv mit dem Thema Azure und den Vorteilen der Azure Cloud auseinandersetzen. Dort würde auch unser Chief Portfolio Officer Daniel Schmid Webinare veranstalten, um zu vermitteln, was muss ich eigentlich tun, was für Vorteile habe ich, wohin kann ich gehen.

Und schließlich haben wir innerhalb der Organisation ein Team entwickelt, die Upgrade Experts, die sich eigentlich nur damit beschäftigen, wie kriege ich möglichst einfach Daten und Geschäftslogik aus einer On-Prem-Applikation angepasst und möglichst einfach und schnell in ein SaaS-Environment überführt. In diesem Paket ist die gesamte Journey enthalten, die ein Bestandskunde von uns auf dem Weg von einer On-Premises-Applikation in eine cloudbasierte, offene SaaS-basierende Lösung gehen kann.

Es reicht bestimmt nicht, einem Kunden zu sagen, du musst dir überlegen, was du die nächsten Jahre so machen willst. Was für Strategien geben Sie ihm an die Hand, was soll er sich überlegen?

Da haben wir unterschiedliche Ansätze. Ich glaube, zuerst ist es immer wichtig, dass das Unternehmen über seine Digital Maturity Bescheid weiß, also dass man weiß, wo steht man digital da im Vergleich mit seinem Wettbewerber und mit seiner Branche. Das ist immer ein erster wichtiger Initiator, um die nächsten Schritte zu verstehen. Und wenn ich mal selbst ein Bild von mir habe, wo ich als Unternehmen stehe, dann gibt es unterschiedliche Möglichkeiten. Wir gehen da zurzeit den Weg des DigiCheck, mit dem man wirklich seine digitalen Ambitionen planen kann. Das machen wir zum einen über die DigiCheck Strategy mit Fraunhofer zusammen, wo man wirklich sagen kann, ich definiere eine langfristige digitale Strategie, die alle Aspekte eines Unternehmens betrachtet. Über den DigiCheck Technology erfährt man, wie man eine digitale Roadmap über die nächsten drei bis fünf Jahre erstellen kann. Und schließlich behandeln wir das Kulturthema, denn für jede erfolgreiche Transformation oder Digitalisierung braucht man eine Digital Culture im Unternehmen, auch für Move2Cloud und Move2SaaS. Das heißt, mit dem DigiCheck gibt es einen durchdesignten digitalen Integrationsprozess vom Erstkontakt mit COSMO bis hin zur Projektumsetzung, komplett digital unterstützt. Und das ist, glaube ich, ein starker Alleinstellungsfaktor für uns.

Digitale Weggefährte für jeden unserer Kunden
Digital Consultant und Cosma, unser Bot

Seit kurzem gibt es einen Digital Consultant bei COSMO CONSULT. Was ist seine Aufgabe?

Der Digital Consultant wird eine wichtige Rolle in der gesamten SaaSifizierung der Unternehmen spielen. Er ist ein Tool, das wir für unterschiedliche Applikationen ausbauen und das man etwa über einen App-Store herunterladen kann. Mit ihm kann ich beispielsweise innerhalb meiner Business-Central-Applikation Content downloaden, den ich brauche, um etwa die Buchhaltung selbständig einzurichten. Bisher wurden menschliche Berater angefordert, aber die Buchhaltung ist mittlerweile weitestgehend standardisiert. Das heißt, ich bin da nicht im rechtsfreien Raum, sondern muss mich an bestimmte Vorgaben halten. Der Digital Consultant führt dann in das System ein und integriert den Kunden dabei, die Buchhaltung einzurichten. Der Digital Consultant ist also ein digitaler Weggefährte für jeden unserer Kunden, der die Ambition hat, bestimmte Dinge in Eigenregie zu übernehmen und auf den man zukünftig nicht mehr verzichten sollte. Genauso wie auch auf Cosma, unser Bot, den wir zur Verfügung stellen.

Welche Aufgabe hat Cosma?

Cosma ist eine Bot-Technologie, der man Fragen stellt, die man ansonsten einem Berater stellt. Cosma übersetzt diese Fragen direkt in Suchabfragen innerhalb unseres COSMO-Universums und liefert dann – vielleicht mit Hilfe des Digital Consultants –wiederum Informationen an unsere Kunden zurück. Damit ist Cosma ein Bestandteil unserer Move2SaaS-Strategie, immer mehr Services zur Verfügung zu stellen, die cloudbasiert Mehrwerte bieten können. Und es gehört zu unserer Unternehmensmission, unsere Kunden zu Gewinnern der Digitalisierung zu machen.

Move2SaaS ist also kein Strohfeuer, kein Hype und kein Trend, sondern eher eine Zwangsläufigkeit?

In Richtung SaaS- und Cloud-Applikationen zu denken, ist ein Muss und für uns kein Strohfeuer, sondern eine ganz klare Strategie. Ich glaube, dass sich kein Unternehmen mehr Gedanken machen sollte über ein Update auf eine Neuversion, die nicht SaaS ist, das wäre nur der halbe nächste Schritt in die Zukunft. Darum ist es für unsere Kunden wichtig, dass wir einen vordefinierten Weg bieten, wie wir ERP-Applikationen von On-Premises in ein Cloud-Modell bekommen. Darum haben wir Touchpoints für Kunden definiert, an denen wir sie ganz individuell mit ihren aktuellen Fragestellungen genau dort abholen können, wo sie sich gerade auf diesem Weg befinden, um sie zu Gewinnern der Digitalisierung zu machen.

Herr Aschauer, vielen Dank für das Gespräch.

Das Gespräch führte Volker Vorburg

Weitere Informationen unter:
de.cosmoconsult.com

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