New Work: Digital Work
Corona offenbart, welche Unternehmen und Mitarbeitenden den Anforderungen des technologischen Fortschritts gewachsen sind.
Eines der aufwendigsten Isolationsexperimente ist HI-SEAS, ein Gemeinschaftsprojekt der Universität Hawaii und der NASA. Inmitten einer rötlichen Geröllwüste am Fuße des Vulkans Mauna Loa legen freiwillige Probanden für einige Monate ihre Psyche auf den Seziertisch der Forscher. Was macht eine Isolation mit Menschen, die gezwungen sind, auf kleinstem Raum zusammenzuleben und zu arbeiten? Im Mai 2020, als noch nicht absehbar war, wie lange uns Corona noch beschäftigen würde, suchte die amerikanische Weltraumbehörde zuletzt nach Freiwilligen.
Unfreiwillig war eine Vielzahl von Arbeitnehmern in den letzten Monaten gezwungen, ebenfalls in einer Art Isolation von zu Hause aus zu arbeiten. Zwar konnte man die eigenen vier Wände verlassen, doch Kontakte galt es auf ein Minimum zu beschränken. Für Forscher eine Art unverhoffter großer Feldversuch, und so tauchen nach einem Jahr auferlegtem Homeoffice immer mehr Studien zu diesem Thema auf.
Fazit: Alles nicht so einfach mit der Work-Life-Balance im Homeoffice. 46 Prozent gaben an, jetzt länger zu arbeiten als im Büro und 20 Prozent haben gar ein schlechtes Gewissen, wenn sie eine Pause machen. Da die Arbeitszeit nun weniger überwacht wird, entsteht oft ein Angstgefühl, ohne entsprechende unsichtbare Mehrarbeit der Leistungsanforderung nicht mehr gerecht zu werden. In der Folge fühlen sich zudem 25 Prozent gestresst und in letzter Konsequenz geben 40 Prozent an sich müde und antriebslos zu fühlen. Dass zudem 23 Prozent angeben Privatleben und Beruf nicht mehr trennen zu können, scheint da schon fast vernachlässigbar.
Die Gefahr einer Überbelastung scheint offensichtlich und Vorgesetzte sind in der Pflicht, sollte das Thema Homeoffice eine Zukunft haben. Bisher bieten nur 13 Prozent der Betriebe Schulungen zu diesem Thema an. Selbstmanagement – vor allem Gesundes – muss von vielen erst gelernt werden. Hinzu kommen Fehler in der Büroausstattung des Homeoffice und mangelnde Informationen zu den Themen Sicherheit, Datenschutz und Versicherungsschutz im Falle eines Unfalls. Zu viele wurden ins kalte Becken geschubst und drohen nun zu ertrinken.
Agilität, Neugier und Lernbereitschaft werden in der zukünftigen Arbeitswelt immer wichtiger, weiß Lorenz Berg.
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Die Fähigkeit, sich an neue Umgebungen anzupassen, wird dabei auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft immer wichtiger, wie auch Lorenz Berg, Inhaber eines Masterabschlusses in Psychologie und bei Aon’s Assessment Solutions verantwortlich für die Gestaltung und Implementierung von großen, internationalen Assessment-Projekten, bestätigt. Der Grund für ihn ist dabei vor allem die Geschwindigkeit des technologischen Fortschritts, wodurch immer mehr Arbeit durch Maschinen verrichtet wird und berufliche Rollen nicht länger ein ganzes Leben, sondern nur noch wenige Jahre besetzt werden. „Was durch Studien belegt ist“, so führt Berg aus, „ist tatsächlich, dass die Halbwertszeit von Wissen und Skills durch die Beschleunigung massiv abnimmt.“ Statt Wissen, Skills und Bildungsbiografie sind „Metakompetenzen wie Neugier, Lernfähigkeit und Agilität also Anpassungsfähigkeit wichtiger“. Kompetenzen, die in einem modernen Assessment – in Präsenz oder virtuell – überprüft werden können.
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Wie sich durch den technologischen Fortschritt berufliche Rollen ändern, weiß auch Wieland Volkert von UKG. Sein Unternehmen bietet Robotic-Process-Automation(RPA)-Lösungen für die Personalabteilung. „RPA befreit die Personalabteilung von ineffizienten, sich wiederholenden Prozessen“, so der Country Manager Central Europe & Netherlands. „So entsteht mehr Zeit für neue, strategische Initiativen, um die Geschäftsleitung zu unterstützen.“ Obwohl das Potenzial dieser Technologie schon jetzt immens ist, wird es noch von relativ wenig Unternehmen eingesetzt. „Prozesse und Anwendungen müssen stabil sein, damit RPA optimal funktioniert“, erläutert Wieland Volkert. Unternehmen müssen daher ihre Prozesse verstehen und optimal aufsetzen, ehe diese an einen Bot übergeben werden können. „Prozesse mit unstrukturierten Daten sind für viele Bots noch nicht geeignet.“ Hinzu kommt ein nicht ausreichendes Verständnis über KI-Themen sowie die Angst vor dem Einsatz neuer Technologien.
Unzweifelhaft ist jedoch, dass die Digitalisierung ein Miteinander von menschlicher und technologischer Intelligenz schafft. Unternehmen, in denen hier Berührungsängste vorherrschen, drohen mittelfristig auf der Strecke zu bleiben. Führungskräfte sind daher gefragt, jetzt die Weichen zu stellen und ein Mindset zu erschaffen, das innovative Verknüpfungen zwischen Mitarbeitenden, Kunden und Maschinen ermöglicht. Zumal insbesondere die begehrten Fachkräfte technologieaffin sind und auch die Möglichkeiten vernetzter Arbeit aus dem Homeoffice zu nutzen wissen. Auch in den eingangs erwähnten Studien lassen sich nicht nur negative Zahlen finden. Immerhin geben 77 Prozent an, das Homeoffice erleichtere die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, und 60 Prozent glauben, ihre Arbeit zu Hause sogar effektiver organisieren zu können. Grund genug also das Arbeiten von zu Hause aus fest in der eigenen Organisationskultur zu verankern.
Eine erste bemannte Marsmission von ein bis drei Jahren visiert die NASA für 2035 an. Statt eines potenziell tödlichen Virus töten uns dort minus 65 Grad, eine Atmosphäre überwiegend aus Kohlendioxid und Weltraumstrahlung garantiert. Die Frage nach einer persönlichen Eignung für einen Ausflug dorthin kann sich nach Corona nun jeder selbst beantworten.
von Andreas Fuhrich