Mensch-Maschine-Wissenschaftlerin Frau Prof. Dr.-Ing. Barbara Deml vom KIT erörtert im Gespräch mit der TREND-REPORT-Redaktion Chancen und Risiken für die Arbeitswelten der Zukunft hinsichtlich der Zusammenarbeit mit humanoiden Kollegen.
Frau Prof. Deml mit welchen Themen und Aufgaben beschäftigt sich Ihr Forschungsbereich/Forschungsauftrag?
Wie muss ein Assistenzsystem gestaltet sein, um ein Operationsteam richtig zu unterstützen? Wie viele Videobilder kann jemand, der in der Leitwarte eines Kraftwerks arbeitet, gleichzeitig auswerten, ohne dass er dabei überfordert ist? Welche Erwartungen haben Mitarbeiter in der Produktion an einen Roboter, mit dem sie zusammenarbeiten? Wie muss sich ein automatisches Fahrzeug verhalten, damit menschliche Verkehrsteilnehmer oder Passagiere es akzeptieren?
Mein Forschungsbereich scheint zunächst sehr breit zu sein. Alle Themen haben aber eine wesentliche Gemeinsamkeit: Es geht immer um Arbeit und den Menschen dabei. Ich erforsche, wie Menschen mit Maschinen zusammenwirken und auch, wie Menschen miteinander arbeiten. Interessant sind dabei immer auch die Arbeitsbedingungen und deren Folgen für den Menschen. Mein Ziel ist es, Arbeit so zu gestalten, sodass sie menschengerecht, technisch funktional und wirtschaftlich effizient ist.
Wie werden die Arbeitswelten der Zukunft aussehen?
In der Forschung stehen zur Zeit lernende Systeme hoch im Kurs. Sicher sind hier in den nächsten zehn Jahren Innovationen zu erwarten, die unsere Arbeit maßgeblich beeinflussen: Wo heute menschliche Dienstleistung zu finden ist, mögen das eine oder andere Computerprogramm oder ein Roboter den Dienst antreten. Expertensysteme können uns helfen, Krankheiten oder Umweltkatastrophen exakter vorherzusagen.
Vielleicht wird es deshalb manche Berufe gar nicht mehr geben: Braucht man noch einen Reisekaufmann, um seinen Urlaub zu buchen? Vielleicht bekommen andere Berufe auch eine neue Bedeutung: Ist es nicht Luxus, anstelle eines Computers einen menschlichen Berater um sich zu wissen?
Vorstellen kann man sich heute viel. Es ist deshalb sicher auch kein Zufall, dass Sie nicht nach der „Arbeitswelt der Zukunft“ gefragt haben, sondern sich im Plural für „Arbeitswelten“ interessieren. Das macht deutlich, dass mehrere Varianten realistisch denkbar sind und es auch an uns ist, diese zu gestalten.
OK. – Digitalisierung, künstliche Intelligenz und Robotik werden in unserem Alltag Einzug halten. Doch auf was genau müssen wir uns als Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einstellen?
Neben neuen Technologien werden wir uns vor allem auf andere Arbeitsbedingungen einstellen müssen: Unsere Arbeitswelt wird sich schneller und öfter verändern als das in den letzten Jahrzehnten der Fall war. Für Unternehmen bedeutet das, dass sie flexibler und schlanker werden müssen. Für Arbeitnehmer heißt das, dass sie vielleicht gar nicht mehr fest zu einer Organisation gehören. Sie werden zum Teil ihre Dienstleistung auf Plattformen anbieten und zeitlich befristet für den ein oder anderen Auftraggeber tätig sein. Das kann unsere Arbeitszeiten massiv beeinflussen, unser Verständnis von Unternehmenskultur obsolet machen, und es verlangt von Führungskräften ganz andere Managementkompetenzen. Diese Punkte müssen auch gesellschaftspolitisch adressiert werden und wir müssen zum Beispiel Arbeitsschutz neu denken.
Was sollte uns Sorge bereiten?
In Vorträgen erlebe ich immer wieder, dass viele Menschen beunruhigt auf die vor sich gehenden Veränderungen blicken. Arbeit ist so zentral für die meisten von uns; wir definieren uns oft ganz maßgeblich darüber. Ich kann also sehr gut verstehen, dass die disruptiven Veränderungen, von denen immer die Rede ist, uns wirklich Angst einjagen. Ich sehe aber gleichzeitig wenige, die wirklich mitgestalten wollen, wie eine „Arbeitswelt 4.0“ aussehen soll und wie nicht. Ich glaube, Politik und Wissenschaft müssten hier andere Möglichkeiten zur Mitbestimmung schaffen als wir sie heute können. Sollten sich die Betroffenen nicht einbringen wollen oder können, würde mir das echte Sorgen bereiten.
Prof. Dr.-Ing. Barbara Deml ist Mensch-Maschine-Wissenschaftlerin und als solche Diplom-Psychologin und Doktorin der Ingenieurwissenschaften. Sie leitet das Institut für Arbeitswissenschaft und Betriebsorganisation am Karlsruher Institut für Technologie.
Welche Fähigkeiten werden erforderlich sein und wo ergeben sich eventuell ganz neue Möglichkeiten?
Man kann sich fragen: Worin sind wir Menschen wirklich gut, was können wir besser als Maschinen? Soziale und kreative Fähigkeiten gehören sicherlich dazu, genauso aber auch die Fähigkeit, umfangreiches Kontextwissen zu integrieren.
Damit Deutschland Schritt halten kann, muss es aber vor allem auch Menschen geben, die in der Lage sind, die lernenden Systeme, von denen immer die Rede ist, zu entwickeln. Naturwissenschaftliche und technische Kompetenzen, aber auch analytische Fähigkeiten, sind bestimmt sehr wichtig.
Ich gehe auch davon aus, dass sich unsere Arbeitsbedingungen verändern. Wir brauchen also auch Selbstkompetenzen, um uns zu organisieren und auch zu sagen, was wir wollen und was wir nicht wollen. Das gibt uns als Gesellschaft aber auch die Möglichkeit, insgesamt mündiger und selbstbestimmer zu werden.
Welche Chancen und Risiken hat die Gestaltung künftiger Mensch-Maschine-Systeme?
Eine wichtige Chance ist sicherlich, dass Mensch-Maschine-Systeme noch potenter sein werden. Wir werden mit dieser Unterstützung unsere Arbeit wahrscheinlich viel besser ausführen als das heute der Fall ist. Trotzdem werden die Systeme größtenteils relativ intuitiv sein. In vielen Bereichen besteht daher keine Gefahr, Menschen „abzuhängen“; wir könnten eine hohe Beteiligung realisieren. Denken Sie nur einmal daran, was Sie bereits heute mit Ihrem Mobiltelefon alles tun können.
Die „Risiken und Nebenwirkungen“, die mit künftigen Mensch-Maschine-Systemen assoziiert sind, werden in der Öffentlichkeit sehr aufmerksam diskutiert. Ich möchte mich daher auf zwei beschränken: Wenn Maschinen immer mehr Aufgaben für uns übernehmen, besteht die Gefahr, dass wir selber wichtige Kompetenzen verlieren und von technischen Systemen abhängig werden. Ein potenzielles Risiko besteht auch darin, dass Nutzer oftmals viele Daten von sich Preis geben und wir hier hohe rechtliche und ethische Standards brauchen.
Sie bringen gerade Maschinen bei, die körperliche Verfassung sowie die Gemütszustände von Menschen zu erfassen und sich entsprechend zu verhalten. Können Sie uns einige Beispiele dazu nennen?
Was machen wir, wenn ein Kollege gestresst ist? Wir verhalten uns entsprechend und versuchen nicht noch mehr Stress zu verursachen. Genau das sollten auch Maschinen tun. Wenn ein Roboter erkennt, dass ein Mensch mental oder körperlich beansprucht ist, sollte er sich anders verhalten und Hilfe anbieten oder unterstützen. Für uns besteht die Herausforderung heute vor allem darin, Verhaltensabsichten oder relevante Zustände, wie Müdigkeit oder Emotionen, zuverlässig zu erkennen. Menschen tun das ständig, und uns ist oft gar nicht bewusst, wie wir das machen. Wenn man diese Fähigkeiten für eine Maschine beschreiben möchte, müssen wir menschliches Verhalten besser verstehen. Was verändert sich in unserem Verhalten, wenn wir müde oder ratlos sind und eine bestimmte Assistenz benötigen? In unseren Forschungen spielt die Analyse von Körperbewegungen, vor allem von Augen- und Blickbewegungen, eine wichtige Rolle, aber auch physiologische Parameter, wie die Herzaktivität oder die Hautleitfähigkeit, sind relevant.
Weiterführende Informationen:
https://www.ifab.kit.edu/index.php
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