Follow the Food

Warum wir getrost davon ausgehen können, dass unsere Lebensmittel den Planeten heilen werden

Positive Veränderungen für die Umwelt müssen nicht tiefgreifend sein, wie James Wong aus erster Hand erfahren hat

Dies ist ein Beitrag von James Wong, Wissenschaftsjournalist*

Wie für die meisten Menschen verlief das letzte Jahr für mich nicht so, wie ich es erwartet hätte. Anfang 2020 machte ich Pläne, Äcker in den trockensten Gegenden der Welt wie Israel, Australien oder Südkalifornien zu besuchen. Dort wollte ich erforschen,wie Bauern für den Anbau von Getreide dort, wo kein Süsswasser vorhanden ist, Salzwasser für die Bewässerung einsetzen. Wenige Wochen nach Produktionsstart für die neue Serie von Follow the Food für BBC World News und BBC.com begab sich die Welt in Lockdown.

Plötzlich konnte ich die Menschen, die ich treffen wollte und die Technologien, die ich sehen wollte, nicht mehr aufsuchen. Wie alle anderen mussten meine Crew und ich uns an die Situation anpassen. Statt in sonnigen Gegenden fand ich mich im letzten Sommer inmitten eines feuchten Kartoffelfeldes in Norfolk im Vereinigten Königreich wieder. Während ich vielleicht mein Glück verfluchte, erteilte mir die zufälllige Entdeckung von innovativen Projekten in meinem eigenen “Hinterhof” einige wichtige Lektionen.

Salzwasserbewässerung wird in Regionen eingesetzt, wo es kein Frischwasser gibt, oder wenn das teure Wasser in so großen Mengen benötigt wird, dass es nicht sinnvoll ist. Man würde diese Technologie nicht gerade auf einer feuchten Insel im Nordatlantik vermuten. Doch die Landwirte in Norfolk haben gute Gründe, sich diese Technologie aus wärmeren Regionen zunutze zu machen. Ein Großteil des Bodens in Norfolk ist geprägt von sumpfiger Küstenlandschaft und mit Salz versetzt. Aus einer Reihe von Gründen setzen Landwirte im Vereinigten Königreich und kalifornische Bauern die gleichen Lösungen ein.

Eine der Lektionen,die ich während des Shootings von Follow the Food während einer Pandemie gelernt habe, ist, dass die Lebensmittelindustrie ein eindrucksvolles globales System ist. Die Tatsache, dass britische und kalifornische Landwirte Ideen austauschen zeigt, von welcher weltweiten Tragweite Themen wie die Wasserknappheit, kontaminierter Boden, Bodenqualität und Pflanzenkrankheiten tatsächlich sind.

Reis ist ein gutes Beispiel hierfür. Das Gewächs ist eines der wichtigsten Nahrungsmittel der Welt. Für 2,4 Milliarden Menschen trägt Reis zu einem Fünftel des täglichen Kalorienbedarfs bei.

Aber Reis ist auch einer der Haupt-Verursacher von Methan-Emissionen.

Wir verbinden normalerweise Methanausstoss mit der Rindfleischerzeugung – insbesondere mit den Verdauungsemissionen der Kühe -, um einen höflichen Euphemismus zu verwenden. Mikroben im gesättigten Boden von Sümpfen und Mooren stoßen jedoch Methan in großen Mengen aus- deshalb wird Methan manchmal als „Sumpfgas“ bezeichnet. Und was sind Reisfelder, wenn nicht riesige, künstliche Sümpfe? Wenn Sie also Schlagzeilen sehen, die besagen, dass wir Rindfleisch reduzieren sollten, um den Klimawandel einzudämmen, ist das nicht so einfach. Viele Menschen in Afrika, wo das Land weniger fruchtbar ist, sind auf Fleisch als Nahrung angewiesen. Ebenso können wir nicht einem Drittel der Welt sagen, mit dem Verzehr von Reis aufzuhören, selbst wenn dies helfen würde. Wir sind der westlichen Ansicht, dass „vegan werden“ oder Milchprodukte zu eliminieren, den Planeten retten wird. Wir denken, wir müssen unsere Ernährung neu denken- aber müssen wir nicht. Wir müssen kreativ denken.

In Italien und in Indien habe ich Reisbauern gesehen, die beweisen, dass die Tropfenbewässerung – bei der präzise Mengen Wasser auf die Wurzeln der Pflanzen tropfen – eine kommerziell erfolgreiche Methode für den Reisanbau ist. Da die Pflanzen nicht in überfluteten Böden sitzen, sind die Methanemissionen minimal, der Wasserverbrauch wird gesenkt, was für den Landwirt und die Region von Vorteil ist, und der Reis schmeckt genauso.

Und was wäre, wenn wir auch Kühe „grün machen könnten“? Kuhmethan ist kein Problem des Tieres, sondern der Mikroben im Kuhmagen. Sie können diese mikrobielle Aktivität unterdrücken, indem Sie dem Tierfutter kleine Mengen Holzkohle oder Seetang hinzufügen – was keinerlei Auswirkungen auf unsere Gesundheit oder die Gesundheit des Tieres hat.

Grüne Lebensmittel können sich zuweilen als Marketingtricks herausstellen. Manchmal wird uns gesagt, dass wir alle auf Insektenprotein umsteigen müssen, um den Planeten zu retten, aber haben Sie jemals versucht, sie zu kaufen? Im Interesse der Wissenschaft habe ich einige aufgespürt – eine winzige Menge, die mich Gramm für Gramm mehr kosteten, als es gekostet hätte, Filet Mignon zu kaufen. Und ich musste ziemlich erfinderisch sein, um daraus etwas zu machen, das gut schmeckte. Hätte ich gewusst, dass Muscheln – die mir wirklich schmecken – noch besser für die Umwelt sind, hätte ich mich vielleicht nicht um die Insekten gekümmert. Muscheln sind kohlenstoffnegativ. Sie setzen nicht nur keinen Kohlenstoff frei, sondern geben Kohlenstoff tatsächlich an den Boden zurück, da ihre Schalen aus Kalziumkarbonat bestehen. Dies war eine weitere kleine Überraschung aus der Serie und ein weiterer Beweis dafür, dass wir keine grundsätzlichen Veränderungen an unserer Ernährung vornehmen müssen (was voraussetzt, dass wir alle den Luxus haben, zu entscheiden, woher unser Essen stammt). Die Experten, mit denen ich gesprochen habe, haben wiederholt gezeigt, dass die Wissenschaft Antworten finden kann. Während der Pandemie wurde viel Wert auf die Bedeutung hyperlokaler Lebensmittel, kurzer Lieferketten und die Rückkehr zu traditionellen Anbaumethoden gelegt. Aber das Bild ist viel komplexer. Wo ich in London wohne, füllten sich die Supermarktregale im Großen und Ganzen nach ein paar Wochen wieder, zuvor waren sie geleert durch Panikkäufe. Große Supermärkte haben die Kraft und Entscheidungsbefugnis, die Lieferkette am Laufen zu halten und sich an Veränderungen anzupassen. Nach einer kurzen Zeit der Unsicherheit wurde die Lebensmittelproduktion fortgesetzt. Ich fand es beruhigend, diese Serie von Follow the Food zu drehen, weil ich immer wieder sah, dass die beängstigenden Schlagzeilen nicht auf Fakten beruhen. Gute Wissenschaft erfordert herausfordernde Annahmen und deren strenge Prüfung. Ich ging ohne Vorurteile darauf ein und war optimistisch, dass die Wissenschaft Lösungen finden wird – und ich hoffe, dass Sie auch zu diesem Schluss kommen. 

Follow the Food wird ab dem 30.Januar acht Wochen um 2.30 Uhr und 16.30 Uhr samstags und um 10.30 Uhr und 21.30 Uhr sonntags auf BBC World News ausgestrahlt. Nutzer können die Serie auch online sehen und weitere Informationen und Specials unter der Website http://www.bbc.com/followthefood finden.

Über den Autor

James Wong ist Ethnobotaniker,Wissenschaftsautor und Dokumentarautor. Aktuell präsentiert James die achtteilige Multiplattform-Serie “Follow the Food” auf BBC World News und BBC.com. Er präsentiert ausserdem die Sendung ‘The Secrets of Your Food’ für BBC2, eine sehr erfolgreiche Ernährungswissenschaftsserie.

Bildquelle / Lizenz: BBC

Zu seinen weiteren BBC-Produktionen zählen “Grow Your Own Drugs”, “Countryfile”, “Gardeners World”, “Great British Garden Revival”, “Our Food” und ‘Fossil Detectives’ und die Berichterstattung über die  RHS Chelsea Flower Show. James war ausserdem Host von “Expensive Eats” für Channel News Asia.

James ist Autor zahlreicher Bücher, darunter zweier Veröffentlichungen im Zusammenhang mit der BBC-Serie Grow Your Own Drugs’. Weitere Veröffentlichungen sind ‘Homegrown Revolution’, ‘Grow for Flavour’ und ‘How to Eat Better’. James ist außerdem regelmässiger Kolumnist für den britischen  Observer und New Scientist Magazines, außerdem hauseigener Ethnobotanist für Liz Earle Beauty Co.

In seinem neuesten Buch mit dem Titel ‘10-a-day the Easy Way’beschreibt James unkomplizierte Rezepte und schreibt darüber, wie pure Wissenschaft dabei helfen kann, die Gesundheit zu stärken, indem man den Anteil von Früchten und Gemüse an der täglichen Ernährung erhöht.  

James ist fest entschlossen,einer alten Profession neues Leben einzuhauchen.Seine pure Leidenschaft und sein ungezähmter Sinn für Abenteuer sind ansteckend. Er ist eine einzigartige Mischung aus Forscher,Anthropologe,Gärtner und ethnobotanischer Abenteurer.

*veröffentlicht mit Erlaubnis der BBC, alle Rechte vorbehalten, Bildquelle / Lizenz Aufmacherbild: Rima Armstrong (BBC)