Panel: Nachhaltigkeit und Rezession?

Ist Nachhaltigkeit nur ein „Schön-Wetter-Thema“, wenn es der Wirtschaft gut geht oder machen nachhaltige Geldanlagen und nachhaltiges Investieren auch dann Sinn, wenn – wie jetzt – sich die wirtschaftlichen Aussichten verdunkeln und Anzeichen einer Rezession erkennbar sind? Wir haben uns umgehört.


Guy Wilkinson ist ESG Analyst bei La Française AM.

Nachhaltigkeit gewinnt langfristig

Klimawandel und Nachhaltigkeit können den Aufschwung nach einer Rezession erschweren. Infolge der Pandemie, der Invasion in die Ukraine und der Energiekrise steht nun das Thema Nachhaltigkeit im Fokus – eine Baisse kann als Bewährungsprobe für nachhaltiges Investieren verstanden werden. Die EU versucht, sich vorsichtig von russischem Gas zu lösen, und fordert gleichzeitig durch den Green Deal mehr Investitionen in saubere Energie. Kurzfristig wird die potenzielle Abkühlung infolge des Inflationsdrucks bei den Unternehmen vermutlich zu sinkenden Gewinnmargen und Barmitteln führen, was ihre Kapitalaufwendungen und damit ihre Investitionen in saubere Energie und Energieeffizienz verringern wird. Langfristig werden jedoch der Regulierungsdruck zugunsten eines sauberen Energiesystems und der Verbraucherdruck zur Senkung der Energiekosten das Wachstum grüner Anlagen vorantreiben. Nachhaltige Portfolios haben sich bisher in Abschwungphasen als stabil erwiesen und bieten weniger Volatilität, was sich auch in der bevorstehenden Rezession nicht ändern dürfte.


Paul Schofield bekleidet bei NN Investment Partners die Position Head of Sustainable & Impact Equity.

Nachhaltigkeit liegt auf der Hand

Zwar gibt es Stimmen, die behaupten, dass „nachhaltige“ Geldanlagen ein neues Phänomen sind, aber viele verwalten ihr Geld schon seit Jahrzehnten so. Nachhaltiges Investieren ist daher auch unter Rezessionsbedingungen erprobt und hat sich in der Vergangenheit bewährt. Der Grund dafür liegt für mich auf der Hand: Ein Unternehmen, das seine wesentlichen Umwelt-, Sozial- oder Governance-Risiken gut im Griff hat, schneidet meist auch in schweren Börsenzeiten besser ab. Gute Unternehmensführung ist eindeutig ein Pluspunkt in schwierigen Zeiten. Ist der Arbeitsmarkt angespannt, wie derzeit, können Unternehmen mit einer vielfältigeren und integrativeren Belegschaft gewöhnlich leichter Talente gewinnen und binden und somit unsichere Zeiten besser überstehen.

Außerdem dürfte ein nachhaltiges Aktienportfolio dazu führen, dass man sich von zyklischeren Marktbereichen, wie Rohstoffen, ab- und den nicht-zyklischen Sektoren wie dem Gesundheitswesen zuwendet. Dies kann zu einer defensiveren Ausrichtung der Fonds führen, die auch für ein Rezessionsumfeld geeignet sein dürften.


Adrienn Sarandi ist Head of ESG Strategy & Development bei Janus Henderson Investors.

Drei Gründe für Nachhaltigkeit

Es gibt drei Gründe, warum ESG eine Rezession überdauern wird.
Erstens: ESG-Fonds zeigten sich bisher resistent gegen Marktrückgänge. Wissenschaftler der Harvard University haben herausgefunden, dass besonders nachhaltige Unternehmen zwischen 1993 und 2010 selbst in Abschwungphasen deutlich besser abschnitten als ihre weniger nachhaltigen Mitbewerber.
Zweitens: Die Gründe für eine Integration von ESG sind stärker denn je. Wir benötigen dringend Lösungen gegen den Klimawandel, den Biodiversitätsverlust und viele andere Nachhaltigkeitsfragen. Regierungen spielen eine wichtige Rolle, aber wir sind auch auf Innovationen angewiesen und auf langfristige Kapitalallokationen.
Drittens: ESG-Anleger verfolgen in der Regel eine langfristige Strategie über Marktzyklen hinaus. Wir glauben, dass die Entwicklung hin zu ESG-Investitionen anhält, denn Regularien werden verschärft und die Gesellschaft wird umweltbewusster und sozialer.

ESG ist keine Modeerscheinung oder ein Luxus, der in schwierigen Zeiten vernachlässigt werden kann. ESG ist ein entscheidender Faktor für langfristig stabile Renditen und eine nachhaltige Welt.


Creative Commons Lizenz CC BY-ND 4.0

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