49 Kriterien für ethisch-nachhaltige Immobilieninvestments
Ein Gastbeitrag von Gesa Vögele, Mitglied der Geschäftsführung bei CRIC.
Immobilien spielen im Zusammenhang mit einer nachhaltigen Entwicklung eine zentrale Rolle – sowohl mit Blick auf ökologische – etwa den Klimawandel betreffende – Aspekte, wie auch in sozialer Hinsicht. Investoren, die ihr Vermögen sozialverantwortlich und ökologisch zukunftsfähig anlegen wollen, sind damit auch und gerade mit Blick auf diese Anlageklasse gefordert. CRIC, ein Verein zur Förderung von Ethik und Nachhaltigkeit bei der Geldanlage, hat sich deshalb dieses Themas angenommen und einen Leitfaden entwickelt.
Die Vereinten Nationen formulieren im Ziel 11 ihrer Agenda 2030 die Notwendigkeit, „Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig zu gestalten.“ Dazu gehört laut den UN-Nachhaltigkeitszielen unter anderem, für angemessenen, sicheren und bezahlbaren Wohnraum zu sorgen, die von Städten ausgehende Umweltbelastung pro Kopf zu senken und auf eine partizipatorische und nachhaltige Siedlungsplanung hinzuwirken. Mit Blick auf gesellschaftliche, soziale und ökologische Fragen muss Immobilien – und damit auch Immobilieninvestments – also ein großes Wirkungspotential zugesprochen werden.
Nachhaltigkeitskriterien für die verschiedenen Phasen im Immobilienzyklus
Doch woran können sich ethisch-nachhaltige Investoren bei dieser Anlageklasse orientieren? Zunächst ist bei Immobilien die Besonderheit zu beachten, dass hier unterschiedliche Phasen zu unterschieden sind. Der Immobilienzyklus beginnt mit der Planung und Projektentwicklung, in der es um die Aspekte Projektentwicklung und Bauherren, Projektidee und Konzept, Standort, Finanzierung und Investoren sowie Architektur geht. Daran schließt sich der Bau, die Nutzung bzw. Bewirtschaftung und dann die Umnutzung und der Rückbau an. Über alle Phasen hinweg sind die begleitenden Prozesse und die Corporate Social Responsibility von Bedeutung.
Je nach Phase im Immobilienzyklus sind damit auch unterschiedliche soziokulturelle, ökologische und ökonomische Aspekte relevant. Welche dies sind, hat CRIC zusammen mit der KlimaGut Immobilien AG, einem nachhaltig ausgerichteten Immobilienprojektentwickler aus Berlin, in einer umfassenden Analyse des gesamten Immobilienzyklus abgeleitet. Insgesamt resultieren aus der Untersuchung 49 unterschiedliche Nachhaltigkeitskriterien (siehe Grafik).
Was wird bereits abgedeckt? – eine Analyse von Bewertungsinstrumenten für Immobilien
Inwiefern die 49 Kriterien aktuell in der Analyse und Bewertung von Immobilien unter Nachhaltigkeitsaspekten Berücksichtigung finden, ist eine weitere Frage, die im Leitfaden behandelt wird. Es gibt eine Reihe von Bewertungsinstrumenten für Immobilien und Immobilienanlageprodukte. CRIC und die KlimaGut AG haben davon zehn ausgewählt, die entweder aus Deutschland sind oder in der Branche bekannt und hierzulande genutzt werden. Folgende Bewertungsinstrumente sind auf die Frage hin untersucht worden, wie und ob sie die 49 entlang des Immobilienzyklus‘ entwickelten Nachhaltigkeitskriterien berücksichtigen:
- BNB – Bewertungssystem Nachhaltiges Bauen
- BREEAM – Building Research Establishment Environmental Assessment Methodology
- DIN EN 15643
- DGNB – Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (Zertifikat)
- greenproperty
- GRESB – Global Real Estate Sustainability Benchmark
- imug Nachhaltigkeitsmonitor für Immobilien
- LEED – Leadership in Energy and Environmental Design
- NaWoh – Nachhaltiger Wohnungsbau
- nWert-Audit
Bei der Analyse der Bewertungsinstrumente hat sich gezeigt, dass keines der untersuchten Bewertungsinstrumente alle im Leitfaden enthaltenen Kriterien enthält. Vor allem soziokulturelle Aspekte finden bislang wenig Berücksichtigung.
Aspekte wie Gemeinwohl und Integration finden bislang wenig Berücksichtigung
Dies ist beispielsweise bei dem Kriterium der sozialen Verträglichkeit der Fall. Hierfür müsste bei der Bewertung der Nachhaltigkeit das eigentliche Nutzungskonzept der Immobilie einfließen, was in der vielen Fällen nicht oder nur bedingt geschieht. Auch der Themenkomplex „Gemeinwohl und Integration“ wird regelmäßig nur im Sinne einer barrierefreien Zugänglichkeit betrachtet. Weitergehende Aspekte wie wohltätige Maßnahmen für die Nachbarschaft, gemischt genutzte Nachbarschaften oder preisgebundener Wohnraum finden nur bei drei der zehn Bewertungsinstrumenten Berücksichtigung. Allerdings bewerten immerhin sechs der zehn Instrumente Anreize und Maßnahmen zur Umsetzung einer nachhaltigen Nutzung und Bewirtschaftung.
Wichtige ökologische Kriterien: Bodenverbrauch und Flächeneffizienz
Mit Blick auf ökologische Faktoren hat die Analyse der zehn Bewertungsinstrumente ebenfalls Lücken offenbar werden lassen. Beispielsweise finden die lokalen Klimabedingungen wenig Beachtung. Auch das Thema Bodenverbrauch und Flächeneffizienz müsste aus Nachhaltigkeitsperspektive weitaus stärker im Fokus stehen. Lösungsansätze können hier eine bessere Ausnutzung des bereits Gebauten sein. Der Mobilisierung von Flächenpotenzialen, etwa Brach- und Konversionsflächen sowie Baulücken im Innenbereich, kommt damit eine besondere Bedeutung zu, die auch in die Nachhaltigkeitsbewertung von Immobilien einfließen kann. Hingegen sind Themen wie Energie- und Ressourcenverbrauch sowie Emissionen bei Bau und Bewirtschaftung bereits gut abgedeckt.
Auf den ersten Blick überraschend ist auch, dass ökonomische Aspekte in den Bewertungsinstrumenten vernachlässigt werden. So finden die Ergebnisse der Standort- und Marktanalyse sowie die tatsächlichen und voraussichtlichen Einnahmen, die für die Marktfähigkeit und Wertentwicklung der Immobilie wesentlich sind, nur lückenhaft Eingang. Dies ist vermutlich darauf zurückzuführen, dass bisher in der Regel die klassische Wertermittlung um eine gesonderte Beurteilung der Nachhaltigkeit der Immobilie ergänzt wird, anstatt eine Wertermittlung zu erstellen, die Nachhaltigkeitsaspekte integriert.
Blinde Flecken bei der Nachhaltigkeitsbewertung von Immobilien
Insgesamt bleibt festzuhalten: Es gibt eine Reihe von blinden Flecken und Bereichen bei der Bewertung, Entwicklung und Ausrichtung nachhaltiger Immobilien, die aktuell kaum oder unzureichend Berücksichtigung finden. Keines der in diesem Leitfaden untersuchten Bewertungsinstrumente beinhaltet alle 49 Kriterien und diejenigen Bereiche, die abgebildet sind, werden häufig nicht in einem umfassenden Sinne operationalisiert.
Nachhaltige Immobilieninvestments gewinnen laut einschlägigen Statistiken zumindest quantitativ an Bedeutung. Anliegen von CRIC und der KlimaGut Immobilien AG ist es, hier auch die Entwicklung von Qualität in einem umfassenden Sinne des Dreiklangs soziokultureller, ökologischer und ökonomischer Aspekte zu unterstützen. In diesem Sinne ist es erforderlich, das Thema gemeinsam und im Austausch mit Investierenden, Finanzakteuren, Praktikern aus dem Immobilienbereich sowie Fachleuten aus Wissenschaft und Zivilgesellschaft weiterzuentwickeln.
Der Leitfaden für ethisch-nachhaltige Immobilieninvestments.
Ein Überblick zu Kriterien für Deutschland zum Download.
CRIC e. V. (Corporate Responsibility Interface Center) ist ein gemeinnütziger Verein zur Förderung von Ethik und Nachhaltigkeit bei der Geldanlage und versteht sich gleichermaßen als Informationsplattform und Kompetenzzentrum. Ziel der Aktivitäten von CRIC ist es, ökologischen, sozialen und kulturellen Aspekten in Unternehmen und der Wirtschaft mehr Gewicht zu verleihen.
Mit mehr als 100 Mitgliedern vor allem in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist CRIC die größte Investorengemeinschaft zur ethisch-nachhaltigen Geldanlage im deutschsprachigen Raum. Die Schwerpunkte der Arbeit liegen in der Bewusstseinsbildung, dem Dialog mit der Wirtschaft (engl. Engagement) und der wissenschaftlichen Begleitforschung. CRIC wurde im Jahr 2000 gegründet. Der Vereinssitz ist Frankfurt am Main.
Über die Autorin:
Gesa Vögele ist seit Juli 2017 Mitglied der Geschäftsführung bei CRIC. Zuvor war sie über sieben Jahre beim FNG tätig, einem Fachverband für nachhaltige Geldanlagen. Vorherige berufliche Stationen von Gesa Vögele umfassen die Redaktion eines Fachverlages sowie die wissenschaftliche und zuvor studentische Mitarbeit in Forschungseinrichtungen. Bereits zum Ende ihres Studiums befasste sie sich bei einer Nichtregierungsorganisation mit sozial-verantwortlichen bzw. ethisch-nachhaltigen Geldanlagen. Gesa Vögele ist Diplom-Volkswirtin und ausgebildete Fachredakteurin.
CC BY-SA 4.0 DE
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